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Liebe
Kolleginnen und Kollegen
ein
herzliches Grüß Gott und vielen Dank dafür, dass Sie die Geduld
mitbringen, sich ein bisschen was über Kunst, ihre Geschichte und
ihre Funktion sich anzuhören.
Bevor
ich auf die Arbeiten hier näher eingehe, möchte ich meine Rede
mit einem kleinen Exkurs in die
Kunstgeschichte beginnen:
In
den vergangenen 3 Jahrhunderten veränderten sich die Funktion der
Kunst und ihr gesellschaftlicher Kontext grundlegend. War die höfische
Kunst noch vor etwa 250 Jahren sehr stark in gesellschaftlich
moralische Konventionen eingebettet, so änderte sich das völlig
durch die gesellschaftliche Umwälzung, die die französische
Revolution von 1789 mit sich brachte. Eine der gravierenden Folgen
war, dass die Kunst zwar dadurch an Freiheit gewann, der Künstler
selbst aber seine feste Stelle am Hof oder beim Klerus verlor. Er
war seitdem ohne feste Anstellung und musste seine Arbeiten
anbieten, und langfristig gesehen, einen Käufermarkt dafür mehr
oder weniger selbst schaffen.
Schon
an diesem historischen Sachverhalt ist leicht zu erkennen, dass
Kunst zu machen relativ einfach, Kunst zu verkaufen dagegen äußerst
schwer ist und risikobeladen.
Der
Künstler konnte zwar seitdem praktisch völlig autark seiner
Phantasie freien Lauf lassen, denn es gab ja keinen allgemein
festgesetzten Konsens darüber, was nun Kunst ist und was nicht,
denn ihre bisherigen Auftraggeber - der Klerus und der Adel -
hatten größtenteils ihren gesellschaftlich-moralischen Einfluß
darauf verloren. Und so begann eine Zeit der
Orientierungslosigkeit, die mehr Fragen über Wert, Funktion und
Moral bez. der Kunst hervorbrachte wie Antworten und Lösungen
darauf fand. Man beachte dabei nur als bildliche Beispiele die
Architektur der Gründerzeit (etwa 1850-1890).
War
für die Menschen vor 1750 die primäre Aufgabe der Kunst öffentliche
Gebäude, das heißt Kirchen, Schlösser oder Rathäuser mit
Kunstwerken auszuschmücken, um den gesellschaftlichen Rang,
Reichtum, die Liberalität oder Lebensphilosophie des jeweiligen
Standes sichtbar zu machen, verlor diese Funktion immer weiter an
Gewicht innerhalb der Kunst mit dem Erstarken des Bürgertums.
Denn
das Bürgertum baute um antike Tempel neue profane Tempel herum
(z.B. Pantheon in Berlin), schuf kirchenähnliche Gebäude, die
einzig den Zweck hatten, Kunst darin aufzunehmen (z.B. Louvre,
Tate Gallery, London), in denen Kunstwerke wie heilige Relikte zur
Schau gestellt wurden; dabei war es völlig uninteressant, welche
Funktion die einzelnen Werke ursprünglich inne hatten
(mittelalterliche Altäre in der alten Pinakothek München).
Sie
wurden nur nach ihrer ästhetischen Präsenz rezipiert.
Konsequenterweise begann man sogleich
Kunst in hohe Kunst, Volkskunst und Kunsthandwerk zu
trennen. Der sehr geschickte, ist gleich geniale Universal-Künstler
der Renaissance wurde deshalb zum genialen also gottgleichen
Universal-Genie posthum erklärt und mystifiziert. Gleichzeitig
verlor die Kunst immer weiter an inhaltlicher Bedeutung; sie
geriet zu einer Beschäftigung mit sich selbst. Nicht
verwunderlich ist es daher, dass dabei eine ihrer wesentlichen
Merkmale, nämlich auch ein moralisches und gesellschaftliches
Gewissen in die Kunst zu tragen, zunehmend in Vergessenheit
geriet. Gerade die Kunst nach 1945 ist so furchtbar inhaltslos,
deshalb auch so beliebig und unverbindlich, dass sich die Frage
geradezu aufdrängt, ob denn unsere Zeit und folge dessen auch
unser Leben wirklich so arm an Werten/Inhalten geworden ist, ob
denn letzten Endes wir selbst so substanzlos geworden sind?
Eine
der wesentlichen Aspekte für die Kunst des neuen Jahrtausend wird
sein, wieder da anzusetzen, wo die Daseinsberechtigung der Kunst
bis zum Ende der Barockzeit angesiedelt war, nämlich den öffentlichen
Raum in Bezug auf den jeweiligen Auftraggeber zu pointieren, das
Wesen und die Besonderheit dieser Institution in das Kunstwerk
einfließen zu lassen, in der Inhalt, Ästhetik und Funktion
wieder zu einer proportional ausgewogenen Einheit zusammenfließen.
Diese
kurze Skizzierung erschien mir wünschenswert, weil man zu
Kunstwerken nur einen tieferen Zugang finden kann, wenn man deren
geschichtlichen Kontext zumindest in groben Zügen kennt.
Die
Lösungen auf die Fragen, die sich daraus für mich ergaben, können
Sie hier an den Wänden betrachten.
Bevor
ich einiges über mein Konzept erzähle, möchte ich mich bei
dieser Gelegenheit ganz herzlich bei Herrn Gstaltmeyr dafür
bedanken, dass er nicht nur die Grundidee dazu hatte, sondern sich
auch im Gespräch mit ihm, das den Charakter eines
Gedankenskribbelns hatte, einige Aspekte herausentwickelten, die
ich hier in die Arbeiten mit einfließen lassen konnte.
Bei
der Erstellung des Konzepts waren mir folgende Faktoren wichtig:
Die
Bildwerke müssen sich sowohl in der Größe wie auch in ihrer
Farbigkeit in die Innenarchitektur dieser Halle einfügen
Die
Bilder sollten etwas über die DATEV erzählen, sollten zeigen,
wie sich die DATEV innovativ weiterentwickelt hat, wie sie
expandiert und dass die Menschen, die in diesen Gebäuden
arbeiten, auch zusammen Spaß haben können und miteinander feiern
können.
Auch
war es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass der Erfolg eines
Unternehmens davon abhängt, wie weit sich die Mitarbeiter mit
ihrer Firma identifizieren können.
Dass
wir, die Mitarbeiter, die Verschiedenartigkeit von Kollegen und
die Verschiedenartigkeit der einzelnen DATEV-Bereiche als
kreatives Potential sehen sollten und die Andersartigkeit wichtig
ist, um neue innovative Lösungen zu erreichen; modern ausgedrückt,
um Synenergieeffekte freisetzen und nutzen zu können.
Sie
sehen auf dem großen monochrom blauen Bild zunächst einmal nur
die Farbe Blau.
Blau
steht in der traditionellen Symbolik für Wahrheit, Intellekt;
Weisheit; Loyalität; Treue, Beständigkeit, makellosen Ruf;
Klugheit und Frieden. Es ist auch Symbol für die Leere, für die
ursprüngliche Einfachheit und für den unendlichen Raum, der, da
er unbewohnt ist, alles umfassen kann.
Durch
den reliefartigen Charakter der Oberfläche entstehen je nach dem
welchen Standpunkt zum Bild Sie einnehmen verschiedene
Farbabstufungen, die Wirkung des Bildes verändert sich immer
wieder aufs Neue, zeigt immer wieder andere Facetten.
Kompositorisch ist das Bild durch ein Nassi-Schneidermann-Diagramm
zusammengehalten. Rechts im Bild wurden Begriffe eingearbeitet,
die eng mit der DATEV und ihrem Wirken verbunden sind. Links im
Bild sehen Sie eine piktografische Nachbildung der ersten DFÜ-Leitung
der DATEV nebst ihren damaligen Kopfstellen.
Sie
können das Bild entweder sehend lesen oder lesend sehen.
Da
an diesem Standort erstmals in einem größeren Umfang zwei
Vorstandsbereiche, nämlich ein Teil der Entwicklung und
sein Pendant dazu aus dem Vorstandsbereich Service und
Vertrieb zusammen untergebracht sind, fand dieser Umstand auch
seinen Niederschlag in den Bildern, die sie hier nun sehen können.
Die Bilder sind in Zweiergruppen angeordnet. Die Figuren
kommunizieren über ihre Rahmengrenzen hinweg miteinander. Die
Figurengruppe jedes einzelnen Bildes präsentiert sich heiter,
humorvoll und kooperativ, der Blick richtet sich zum Betrachter,
und gleichermaßen
zum Nachbarbild.
Zusammen
ergeben diese vier Bilder eine Einheit.
Neben
den Figuren sehen Sie aber noch eine zweite Ebene, nämlich
Computergrafiken, eingefügt in die Struktur von
Programm-Ablauf-Plänen, welche übrigens ebenfalls über die
Bildbegrenzung hinausreichen, und Anschluß am Nachbarbild finden.
Programm-Ablauf-Pläne
werden in der Software-Entwicklung häufig gebraucht, um komplexe
Programmstrukturen verständlicher werden zu lassen.
Jeder
Programm-Ablauf-Plan eines Bildes ist gegliedert in jeweils einen
Themenschwerpunkt:
Hardware
des Rechenzentrums
Speichermedien
DATEVeigene
Standorte
DATEV-Betriebsfesten
Kurzformel:
Wir arbeiten/arbeiteten mit diesen Gerätschaften (Hardware),
geben die damit erstellte Dienstleistung mittels dieser
Speichermedien weiter; das alles entsteht in diesen Arealen, und
da sind wir (Bilder von den Betriebsfesten), die das tun. Wir sind
offen für Anregungen und Kritik, und wir sind freundlich und
hilfsbereit zu den Anwendern.
Und
wir
haben alle Humor !
Das
Ausgangsmaterial für die Computergrafiken stammt vom
DATEV-Unternehmensarchiv. Für die engagierte
und fachkundige
Mitarbeit der Leiterin des Archivs, Frau
Dr. Klesatschke möchte
ich mich ganz herzlich bedanken.
In
den 4 Bildern hier im Foyer kamen folgende Archetypen zur
Darstellung:
der
Königskasper
die
Hirnbirn
das
Schnabelbaby
der
Kopfrüssler
der
Musterknabe
und
die Olimpia
Als
Flachstahlskulpturen können Sie diese Figuren auch im 4. und 5.
OG bestaunen, sie stammen von meinem Bruder Guido Häfner und sind
ebenfalls fester Bestandteil unserer Gemeinschaftsproduktionen,
die nun schon 6 Jahre währen und bestens in der kreativen
Zusammenarbeit funktionieren.
Im
Foyer liegt dafür ein entsprechender Flyer aus, in dem die
Metaphorik und der Sinn der einzelnen Figuren kurz erläutert
werden. Eine Seite des Flyers gibt Ihnen einen kleinen Einblick über
Herkunft, Geschichte und Verwandlung der Figur des Narren und des
Kaspers; den Text schrieb der Germanist und
Literaturwissenschaftler Dr. Friedhelm Auhuber.
Ich
wollte mit meinem kurzen Vortrag nicht zuletzt darauf aufmerksam
machen, dass Unternehmen – ganz allgemein gesprochen - nicht nur
marktstrategisch, und produkt-diplomatisch denken sollten, sondern
dass gerade der adäquate ästhetische Rahmen des Unternehmens das
Gesamterscheinungsbild entscheidend mit prägt.
Stellen
wir uns vor, das Unternehmen DATEV wäre ein Tafelbild. Würde man
es ungerahmt etwa wie ein Poster an die Wand pinnen, so wäre die
ästhetische Wirkung eine ganz andere, als wenn wir es hinter
einen Rahmen setzen würden. Die geschickte Auswahl eines adäquaten
Rahmens, ein vorteilhafter Passepartout würden die Wirkung zusätzlich
noch steigern können, würden das Bild in seiner Präsenz erhöhen,
und dadurch dem auch in Kunstfragen völligen Laien dennoch
intuitiv zeigen können, wie wertvoll uns dieses Bild ist und wie
wichtig es uns ist, eben dies dem Betrachter so auch mitteilen zu
wollen.
Ich
hoffe, Ihnen meine Intention und das Anliegen der Kunst mit diesen
wenigen Worte nahegebracht zu haben.
Ich
bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Copyright by Johannes Häfner, 1999
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