FIRMENKULTUR KONZEPTE 


Johannes Häfner




Vortrag anläßlich der Eröffnung des Standortes DATEV II Ost
am Mittwoch, den 22.3.2000

 

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Liebe Kolleginnen und Kollegen

ein herzliches Grüß Gott und vielen Dank dafür, dass Sie die Geduld mitbringen, sich ein bisschen was über Kunst, ihre Geschichte und ihre Funktion sich anzuhören.

Bevor ich auf die Arbeiten hier näher eingehe, möchte ich meine Rede mit einem kleinen Exkurs in die  Kunstgeschichte beginnen:

In den vergangenen 3 Jahrhunderten veränderten sich die Funktion der Kunst und ihr gesellschaftlicher Kontext grundlegend. War die höfische Kunst noch vor etwa 250 Jahren sehr stark in gesellschaftlich moralische Konventionen eingebettet, so änderte sich das völlig durch die gesellschaftliche Umwälzung, die die französische Revolution von 1789 mit sich brachte. Eine der gravierenden Folgen war, dass die Kunst zwar dadurch an Freiheit gewann, der Künstler selbst aber seine feste Stelle am Hof oder beim Klerus verlor. Er war seitdem ohne feste Anstellung und musste seine Arbeiten anbieten, und langfristig gesehen, einen Käufermarkt dafür mehr oder weniger selbst schaffen.

Schon an diesem historischen Sachverhalt ist leicht zu erkennen, dass Kunst zu machen relativ einfach, Kunst zu verkaufen dagegen äußerst schwer ist und risikobeladen.

Der Künstler konnte zwar seitdem praktisch völlig autark seiner Phantasie freien Lauf lassen, denn es gab ja keinen allgemein festgesetzten Konsens darüber, was nun Kunst ist und was nicht, denn ihre bisherigen Auftraggeber - der Klerus und der Adel - hatten größtenteils ihren gesellschaftlich-moralischen Einfluß darauf verloren. Und so begann eine Zeit der Orientierungslosigkeit, die mehr Fragen über Wert, Funktion und Moral bez. der Kunst hervorbrachte wie Antworten und Lösungen darauf fand. Man beachte dabei nur als bildliche Beispiele die Architektur der Gründerzeit (etwa 1850-1890).

War für die Menschen vor 1750 die primäre Aufgabe der Kunst öffentliche Gebäude, das heißt Kirchen, Schlösser oder Rathäuser mit Kunstwerken auszuschmücken, um den gesellschaftlichen Rang, Reichtum, die Liberalität oder Lebensphilosophie des jeweiligen Standes sichtbar zu machen, verlor diese Funktion immer weiter an Gewicht innerhalb der Kunst mit dem Erstarken des Bürgertums.

Denn das Bürgertum baute um antike Tempel neue profane Tempel herum (z.B. Pantheon in Berlin), schuf kirchenähnliche Gebäude, die einzig den Zweck hatten, Kunst darin aufzunehmen (z.B. Louvre, Tate Gallery, London), in denen Kunstwerke wie heilige Relikte zur Schau gestellt wurden; dabei war es völlig uninteressant, welche Funktion die einzelnen Werke ursprünglich inne hatten (mittelalterliche Altäre in der alten Pinakothek München).

Sie wurden nur nach ihrer ästhetischen Präsenz rezipiert. Konsequenterweise begann man sogleich  Kunst in hohe Kunst, Volkskunst und Kunsthandwerk zu trennen. Der sehr geschickte, ist gleich geniale Universal-Künstler der Renaissance wurde deshalb zum genialen also gottgleichen Universal-Genie posthum erklärt und mystifiziert. Gleichzeitig verlor die Kunst immer weiter an inhaltlicher Bedeutung; sie geriet zu einer Beschäftigung mit sich selbst. Nicht verwunderlich ist es daher, dass dabei eine ihrer wesentlichen Merkmale, nämlich auch ein moralisches und gesellschaftliches Gewissen in die Kunst zu tragen, zunehmend in Vergessenheit geriet. Gerade die Kunst nach 1945 ist so furchtbar inhaltslos, deshalb auch so beliebig und unverbindlich, dass sich die Frage geradezu aufdrängt, ob denn unsere Zeit und folge dessen auch unser Leben wirklich so arm an Werten/Inhalten geworden ist, ob denn letzten Endes wir selbst so substanzlos geworden sind?

Eine der wesentlichen Aspekte für die Kunst des neuen Jahrtausend wird sein, wieder da anzusetzen, wo die Daseinsberechtigung der Kunst bis zum Ende der Barockzeit angesiedelt war, nämlich den öffentlichen Raum in Bezug auf den jeweiligen Auftraggeber zu pointieren, das Wesen und die Besonderheit dieser Institution in das Kunstwerk einfließen zu lassen, in der Inhalt, Ästhetik und Funktion wieder zu einer proportional ausgewogenen Einheit zusammenfließen.

Diese kurze Skizzierung erschien mir wünschenswert, weil man zu Kunstwerken nur einen tieferen Zugang finden kann, wenn man deren geschichtlichen Kontext zumindest in groben Zügen kennt.

Die Lösungen auf die Fragen, die sich daraus für mich ergaben, können Sie hier an den Wänden betrachten.

Bevor ich einiges über mein Konzept erzähle, möchte ich mich bei dieser Gelegenheit ganz herzlich bei Herrn Gstaltmeyr dafür bedanken, dass er nicht nur die Grundidee dazu hatte, sondern sich auch im Gespräch mit ihm, das den Charakter eines Gedankenskribbelns hatte, einige Aspekte herausentwickelten, die ich hier in die Arbeiten mit einfließen lassen konnte.

Bei der Erstellung des Konzepts waren mir folgende Faktoren wichtig:


Die Bildwerke müssen sich sowohl in der Größe wie auch in ihrer Farbigkeit in die Innenarchitektur dieser Halle einfügen

Die Bilder sollten etwas über die DATEV erzählen, sollten zeigen, wie sich die DATEV innovativ weiterentwickelt hat, wie sie expandiert und dass die Menschen, die in diesen Gebäuden arbeiten, auch zusammen Spaß haben können und miteinander feiern können.

Auch war es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass der Erfolg eines Unternehmens davon abhängt, wie weit sich die Mitarbeiter mit ihrer Firma identifizieren können.

Dass wir, die Mitarbeiter, die Verschiedenartigkeit von Kollegen und die Verschiedenartigkeit der einzelnen DATEV-Bereiche als kreatives Potential sehen sollten und die Andersartigkeit wichtig ist, um neue innovative Lösungen zu erreichen; modern ausgedrückt, um Synenergieeffekte freisetzen und nutzen zu können.

Sie sehen auf dem großen monochrom blauen Bild zunächst einmal nur die Farbe Blau.

Blau steht in der traditionellen Symbolik für Wahrheit, Intellekt; Weisheit; Loyalität; Treue, Beständigkeit, makellosen Ruf; Klugheit und Frieden. Es ist auch Symbol für die Leere, für die ursprüngliche Einfachheit und für den unendlichen Raum, der, da er unbewohnt ist, alles umfassen kann.

Durch den reliefartigen Charakter der Oberfläche entstehen je nach dem welchen Standpunkt zum Bild Sie einnehmen verschiedene Farbabstufungen, die Wirkung des Bildes verändert sich immer wieder aufs Neue, zeigt immer wieder andere Facetten. Kompositorisch ist das Bild durch ein Nassi-Schneidermann-Diagramm zusammengehalten. Rechts im Bild wurden Begriffe eingearbeitet, die eng mit der DATEV und ihrem Wirken verbunden sind. Links im Bild sehen Sie eine piktografische Nachbildung der ersten DFÜ-Leitung der DATEV nebst ihren damaligen Kopfstellen.

Sie können das Bild entweder sehend lesen oder lesend sehen.


Da an diesem Standort erstmals in einem größeren Umfang zwei Vorstandsbereiche, nämlich ein Teil der Entwicklung und  sein Pendant dazu aus dem Vorstandsbereich Service und Vertrieb zusammen untergebracht sind, fand dieser Umstand auch seinen Niederschlag in den Bildern, die sie hier nun sehen können. Die Bilder sind in Zweiergruppen angeordnet. Die Figuren kommunizieren über ihre Rahmengrenzen hinweg miteinander. Die Figurengruppe jedes einzelnen Bildes präsentiert sich heiter, humorvoll und kooperativ, der Blick richtet sich zum Betrachter, und  gleichermaßen zum Nachbarbild.


Zusammen ergeben diese vier Bilder eine Einheit.

Neben den Figuren sehen Sie aber noch eine zweite Ebene, nämlich Computergrafiken, eingefügt in die Struktur von Programm-Ablauf-Plänen, welche übrigens ebenfalls über die Bildbegrenzung hinausreichen, und Anschluß am Nachbarbild finden.

Programm-Ablauf-Pläne werden in der Software-Entwicklung häufig gebraucht, um komplexe Programmstrukturen verständlicher werden zu lassen.

Jeder Programm-Ablauf-Plan eines Bildes ist gegliedert in jeweils einen Themenschwerpunkt:

Hardware des Rechenzentrums

Speichermedien

DATEVeigene Standorte

DATEV-Betriebsfesten

Kurzformel: Wir arbeiten/arbeiteten mit diesen Gerätschaften (Hardware), geben die damit erstellte Dienstleistung mittels dieser Speichermedien weiter; das alles entsteht in diesen Arealen, und da sind wir (Bilder von den Betriebsfesten), die das tun. Wir sind offen für Anregungen und Kritik, und wir sind freundlich und hilfsbereit zu den Anwendern.

Und

wir haben alle Humor !
Das Ausgangsmaterial für die Computergrafiken stammt vom DATEV-Unternehmensarchiv. Für die engagierte 
und fachkundige Mitarbeit der Leiterin des Archivs, Frau 
Dr. Klesatschke möchte ich mich ganz herzlich bedanken.


In den 4 Bildern hier im Foyer kamen folgende Archetypen zur Darstellung:

der Königskasper

die Hirnbirn

das Schnabelbaby

der Kopfrüssler

der Musterknabe

und die Olimpia

Als Flachstahlskulpturen können Sie diese Figuren auch im 4. und 5. OG bestaunen, sie stammen von meinem Bruder Guido Häfner und sind ebenfalls fester Bestandteil unserer Gemeinschaftsproduktionen, die nun schon 6 Jahre währen und bestens in der kreativen Zusammenarbeit funktionieren.

Im Foyer liegt dafür ein entsprechender Flyer aus, in dem die Metaphorik und der Sinn der einzelnen Figuren kurz erläutert werden. Eine Seite des Flyers gibt Ihnen einen kleinen Einblick über Herkunft, Geschichte und Verwandlung der Figur des Narren und des Kaspers; den Text schrieb der Germanist und Literaturwissenschaftler Dr. Friedhelm Auhuber.

Ich wollte mit meinem kurzen Vortrag nicht zuletzt darauf aufmerksam machen, dass Unternehmen – ganz allgemein gesprochen - nicht nur marktstrategisch, und produkt-diplomatisch denken sollten, sondern dass gerade der adäquate ästhetische Rahmen des Unternehmens das Gesamterscheinungsbild entscheidend mit prägt.

Stellen wir uns vor, das Unternehmen DATEV wäre ein Tafelbild. Würde man es ungerahmt etwa wie ein Poster an die Wand pinnen, so wäre die ästhetische Wirkung eine ganz andere, als wenn wir es hinter einen Rahmen setzen würden. Die geschickte Auswahl eines adäquaten Rahmens, ein vorteilhafter Passepartout würden die Wirkung zusätzlich noch steigern können, würden das Bild in seiner Präsenz erhöhen, und dadurch dem auch in Kunstfragen völligen Laien dennoch intuitiv zeigen können, wie wertvoll uns dieses Bild ist und wie wichtig es uns ist, eben dies dem Betrachter so auch mitteilen zu wollen.


Ich hoffe, Ihnen meine Intention und das Anliegen der Kunst mit diesen wenigen Worte nahegebracht zu haben.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

                                                                                           Copyright by Johannes Häfner, 1999


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