LITERATUR WISSENSCHAFT

 

Friedhelm Auhuber

Inhaltsangabe Meister Floh
Ein Mährchen in sieben 
Abentheuern zweier Freunde

Von E.T.A. Hoffmann. Frankfurt am Mayn bei 
Friedrich Wilmans. 1822

 Inhaltsangabe                                                           08/02


  Inhaltsangabe Meister Floh
Die Hauptfigur, Peregrinus Tyß, ein infantil versponnener, durch elterliches Erbe wohlhabender Kaufmannssohn, lebt als 36-jähriger Mann noch vollständig in der Kinderwelt der 6-10-jährigen. Seinen Haushalt führt die alte Haushälterin Aline. Ein bei dem armen Buchbinder Lämmerhirt und seiner Familie verbrachter Weihnachtsabend verändert als Folge der „wunderbarsten, tollsten Ereignisse“ sein ganzes Leben. Die hübsche Dörtje Elverdink (alias Prinzessin Gamaheh), Nichte des Flohbändigers und Magiers Leuwenhoek, flieht zu Peregrinus und umgarnt ihn raffiniert, um wieder in den Besitz eines Flohs (Meister Floh) zu kommen, auf dessen belebende Stiche sie durch ein phantastisch hintergründiges Geschick angewiesen ist. Meister Floh indes, erfreut, dass er der Gefangenschaft Leuwenhoeks entronnen ist, bittet Peregrinus um Schutz. Als Gegenleistung erhält er ein winziges Mikroskop, mit dem er die Gedanken seiner Mitmenschen lesen kann. So ausgerüstet, lernt er die soziale Welt erst kennen, dann neu entdecken, vor allem, dass Gedanken und das, was im Dialog ausgesprochen wird, auseinander klaffen können und nur in Ausnahmefällen deckungsgleich sind. Darüber hinaus erfährt er nach und nach den wunderlichen Zusammenhang seines eigenen Schicksals mit den Geschicken der Figuren aus dem Märchenreich Famagusta, deren Leben aus tiefster Vergangenheit in die Erzählgegenwart hineinreicht. In einem zunehmenden Erkenntnisgewinn opfert er schließlich seine vermeintliche Liebe zu Dörtje dem Freund George Pepusch, der als ursprüngliche Distel Zeherit ältere Ansprüche auf die Blumenprinzessin Gamaheh hat, und findet die wahre Liebe in der Gegenwart bei Röschen, der schönen Tochter des Buchbinders Lämmerhirt. Mit dieser Liebe zu Röschen verzichtet Peregrinus auf das Gedanken-Mikroskop in der klaren Erkenntnis, dass jedes allzu tiefe Eindringen in die Persönlichkeit anderer unzulässig, ja frevelhaft sei. Diese Einschränkung gilt sowohl für den Staat in Bezug auf die Bürger, von Hoffmanns Erzähler vorgeführt in der „Knarrpanti-Episode“ im fünften Abenteuer, als auch für die Bürger untereinander.

Was selbst dem gescheiten und liebenswerten Meister Floh verschlossen bleibt, eröffnet sich dem Peregrinus in der großartigen Schluss-Allegorie im letzten Abenteuer als auflösender und erlösender Traum: Er selbst ist der Märchenkönig Sekakis aus mythischer Vorzeit; die magischen Kräfte des „Karfunkels in seiner Brust“ sind durch die Liebe zu Röschen und den Menschen geweckt; alle Gegenspieler werden unschädlich gemacht, George Pepusch und Dörtje Elverdink von allen Irrtümern ihres Lebens befreit, sie sterben als blühende Distel und Blumenprinzessin den Pflanzentod. Peregrinus hingegen wendet sich nach einem langen Erkenntnisprozess, unterstützt durch den Meister Floh, Röschen, der Liebe und dem Leben zu. Das alte Wort aus der Zeit der Frühromantik von Friedrich Hardenberg (Novalis) „Wohin gehen wir? Immer nach Haus“ hat Hoffmann im Meister Floh nochmal aufgegriffen und poetisch variiert: Die Liebe entdeckt man im unmittelbar Nächsten, schaut in das Gesicht eines Individuums und zugleich in das Antlitz der Menschheit und damit der ganzen Welt.

Copyright by Friedhelm Auhuber, 2001

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Friedhelm Auhuber, 2002.
Foto Susanne Zametzer


Meister Floh - Röschen


Meister Floh - Prinzessin Gamaheh