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Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Steigen
wir hinab in das Königsberg des 18.Jahrhunderts. Die alte
Handels- und Residenzstadt der preußischen Könige hatte zu
dieser Zeit über 40.000 Einwohner, die aber den politischen und
wirtschaftlichen Abstieg zu einer nordöstlichen Provinzstadt
nicht verhindern konnten.
Am 26.Oktober 1767 vermählte sich der
eindreißigjährige Christoph Ludwig Hoffmann, Advokat beim
Hofgericht in Königsberg mit seiner neunzehnjährigen Cousine
Luise Albertine Doerffer, deren Vater ebenfalls Advokat, zugleich
auch Konsistorialrat war und sich als Vertrauter der
hervorragensten preußischen Adelsfamilien eine bedeutende
Stellung geschaffen hatte. Die Hoffmanns waren seit Generationen
lutherische Pfarrer und Lehrer in Ostpreußen. E.T.A.Hoffmanns
Vater war der erste Jurist und Hofgerichtsadvokat in der Familie
und somit eine angemessene Partie. Drei Söhne entstammten dieser
Ehe: 1768 Johann Ludwig, 1773 Carl Wilhelm Philipp, der kurz nach
seiner Geburt verstarb – und am 24.Januar 1776 Ernst Theodor
Wilhelm, der später bekanntlich seinen dritten Vornamen aus
Verehrung zu Mozart in Amadeus umwandelte. Zwei Jahre nach
Hoffmanns Geburt trennten sich seine Eltern, ohne sich förmlich
scheiden zu lassen. Diese Ehe scheiterte auch deswegen, da
Hoffmanns Vater wenig von Karriere hielt, lieber musizierte, gerne
trank und gelegentlich auch dichtete, dabei aber seine
Amtsgeschäfte vernachlässigt haben soll. Hoffmanns Mutter
kultivierte die Eigentümlichkeiten der Familie Doerffer, zu denen
eine peinliche Ordnungsliebe gehörte; Wissenschaft und Kunst
galten dagegen nur als nebensächliche Annehmlichkeit des Lebens,
die nur zur Zerstreuung und Ergötzung nach den Mühen des Tages
gestattet wurden. Infolge einer Neuordnung des preußischen
Gerichtswesens verließ der Vater Hoffmanns mit seinem ältesten
Sohn Königsberg und kam als Justizkommissar und Kriminalrat an
das Hofgericht zu Insterburg, wo er 1797 starb.
Hoffmann lebte nun mit seiner Mutter im Hause
der Großmutter, zusammen mit deren unverheirateten Kindern,
seiner Tante Johanna Sophie Doerffer und seinem Onkel Otto Wilhelm
Doerffer. Bereits 1796 starb Hoffmanns Mutter, der, vom Onkel
abgesehen, nun in einem von Frauen beherrschten Haushalt aufwuchs.
Seine Tante Johanna Sophie Doerffer entwickelte sich zu einer
engen Vertrauten – im Gegensatz zu seinem Onkel Otto Wilhelm,
der für Hoffmann den Prototyp eines Spießers und Philisters
verkörperte. Dieser früh pensionierte Justizrat "überließ
sich einer diätetisch geordneten Vegetation, die in Schlafen,
Essen und Trinken , Wiederschlafen und Wiederessen und daneben in
etwas Lektüre und Musik zur Verdauung, nach Stunden und Minuten
eingeteilt, bestand".
Immerhin vermittelte der Onkel seinem Neffen
"die Gewöhnung an stetigem Fleiß", was Hoffmann nicht
davon abhielt, den pensionierten Justizrat zu mystifizieren, er
nannte ihn in, Anlehnung an Shakespeare, den dicken Sir Ott,
Sir Ott oder auch nur den Oweh-Onkel, eine ironische
Auflösung der Namensinitialen des Otto Wilhelm Doerffer.
Hoffmann besuchte die reformierte Burgschule in
Königsberg, wo er sich mit dem Neffen des Königsberger
Stadtoberhauptes Theodor Gottlieb von Hippel anfreundete. Diese
Schulfreundschaft endete erst mit Hoffmann Tod im Jahre 1822.
Schon früh begann für Hoffmann der Unterricht in Musik durch den
Domorganisten Christian Wilhelm Podbielski, einem Anhänger Bachs;
im Zeichnen wurde er durch Johann Gottlieb Saemann unterrichtet.
Eminent war der pädagogische Einfluß des Rektors der Burgschule,
Stephan Wannowski, der seinen Schülern die lateinischen
Klassiker, vor allem Horaz, anschaulich vermittelte und Hoffmann
nicht selten zu Kunstgesprächen heranzog. Zwei Jahre nach dem Tod
seines Musiklehrers Podbielski, im März 1792, begann Hoffmann
sein juristisches Studium an der Königsberger Universität; der
Familientradition folgend, betrachtete er dieses Studium als
Vorbereitung zu einer gesicherten Existenz und besuchte vermutlich
nur die notwendigen Vorlesungen; es gibt keinerlei Dokumente, die
seine Teilnahme an den Vorlesungen Immanuel Kants belegen.
Hoffmann musizierte und komponierte in seiner Freizeit und widmete
sich auch dem Zeichnen und Aquarellieren. Ab und zu nahm ihn sein
Großonkel, der Justiziar Voeteri mit auf Reisen zu den Gütern
adliger Klienten, der Großneffe E.T.A.Hoffmann sollte diese
Erfahrungen später in seinem Nachtstück Das Majorat
novellistisch verarbeiten.
Königsberg war zu Hoffmanns Zeiten eine
musikliebende Stadt, in der häufig Liebhaberkonzerte, aber auch
öffentliche Konzerte und Aufführungen von Oratorien stattfanden;
nicht wenige Familien organisierten Hausmusiken. Daher verwundert
es nicht, daß der 18jährige Hoffmann um 1793 zum Musiklehrer
avancierte, seine einzige Schülerin war Dora Hatt, die zehn Jahr
ältere Tochter eines wohlhabenden Tuchhändlers, die mit ihrem
ungeliebten Mann, einem Brauereiunternehmer, 1792 in das
Doerffersche Haus eingezogen war. Hoffmann verliebte sich während
des Gesangs- und Klavierunterrichts in die attraktive, fünffache
Mutter. Diese Konstellation – Erotik im Musikunterricht –
sollte sich in Hoffmanns Leben noch einigemale wiederholen. Die
leidenschaftliche Beziehung eskalierte in den folgenden Jahren und
es folgten peinliche Auftritte Hoffmanns in der kleinbürgerlichen
Öffentlichkeit Königsbergs, die fast zum Duell mit einem
Nebenbuhler führten. Daher beschloß seine Familie, daß Hoffmann
1796 zu seinem Patenonkel Johann Ludwig Doerffer nach Glogau
umziehen sollte, in dessen Haus "die Künste heimisch"
waren, die Tante Sophie Henriette war eine glänzende Sängerin.
Hoffmanns Umzug vollzog sich problemlos, da er bereits 1795 sein
erstes juristisches Examen bestanden hatte. In Glogau erfolgte der
Bruch mit seiner Geliebten Dora Hatt, dem sich 1798 die Verlobung
mit seiner Cousine Minna Doerffer anschloß. Hoffmanns frühe
künstlerische Neigungen bezeugt auch seine Mithilfe beim Ausmalen
der Glogauer Jesuitenkirche; Spuren dieser Erfahrung finden sich
in seinem Nachtstück Die Jesuiterkirche in G. Intensiv las
er die Werke Shakespeares, Sternes, Jean Pauls und Rousseaus Bekenntnisse,
die deutliche Spuren in seinen folgenden Briefen und Werken
hinterlassen sollten. 1798 berichtet er seinem Jugendfreund Hippel
in einem Brief:
"Mit meiner juristischen Laufbahn geht’s
sehr pianissimo. Vorigen Februar meldete ich mich zum zweiten
Examen, wurde aber erst vor drei Wochen [...] mündlich
examiniert, und bin daher erst jetzt ins Referendariat
eingeschritten. [...] Der Onkel ist Geheimer OberTribunals-Rath
geworden, ich lass‘ mich daher natürlich ans KammerGericht
versetzen, und hoffe dort etwas schneller zum Ziel zu gelangen,
als es hier geschehen seyn würde. Spätestens in 8 Wochen hoff
ich in Berlin zu seyn, und ein – Nest verlassen zu haben, dessen
Einsamkeit mir vielleicht aber hin und her heilsam gewesen."
In einsamen Nestern sollte Hoffmann im Laufe
seines Lebens noch schmerzliche Erfahrungen sammeln, doch
zunächst genoß er in Berlin das hauptstädtische Kulturleben,
besuchte Konzerte, Theater, Galerien. Zu seinen neuen
Bekanntschaften gehörten der Direktor des königlichen Theaters
Iffland und der Sänger und Schauspieler Franz von Holbein, mit
dem er Jahre später in Bamberg zusammenarbeiten sollte. In der
preußischen Hauptstadt vollendete Hoffmann sein erstes
Bühnenstück Die Maske und übersandte es der Königin
Luise von Preußen in der Hoffnung, sie werde eine öffentliche
Aufführung in die Wege leiten, die sich aber zerschlug. Beim
berühmten Kapellmeister und Schriftsteller Johann Friedrich
Reichardt nahm Hoffmann Kompositionsunterricht, und scheinbar
nebenbei bestand er im Jahre 1800 sein drittes juristisches Examen
mit der Note "vorzüglich".
Sein Wunsch, weiter in Berlin zu arbeiten,
wurde nicht erfüllt, stattdessen erfolgte die Versetzung
Hoffmanns als Assessor nach Posen, das wenige Jahre zuvor noch zum
Königreich Polen gehörte. Preußen hatte 1793 bei der
sogenannten "zweiten polnischen Teilung" nicht
unerhebliche Teile des aufgelösten Königreich Polen vereinnahmt;
daher verwundert es kaum, daß die überwiegend von Polen bewohnte
Stadt Posen die preußischen Verwaltungsbeamten als Besatzer
empfand. Der junge Regierungsassessor Hoffmann genoß das Leben in
Posen, wohl auch der sexuellen Freiheiten wegen, denn seine Braut
Minna Doerffer lebte weiterhin in Berlin. Einige Jahre später zog
Hoffmann in einem Brief an Hippel sein Resüme über die Posener
Jahre:
"Wein, der eben gährt, hat niemahls einen
guten Geschmack, und ich war damahls wirklich im Gähren – Ein
Kampf von Gefühlen, Vorsätzen pp, die sich gerade zu
widersprachen, tobte schon seit ein paar Monathen in meinem innern
– ich wollte mich betäuben, und wurde das was SchulRectoren,
Prediger, Onkels und Tanten liederlich nennen.- Du weißt, daß
Ausschweifungen allemahl ihr höchstes Ziel erreichen, wenn man
sie aus Grundsatz begeht, und das war denn bey mir der
Fall.".
Anfang des Jahres 1803 lernte Hoffmann die zwei
Jahre jüngere Polin Michaelina Trczinski-Rorer kennen und lieben,
die er am 26.Juli des gleichen Jahres heiratete; zuvor hatte
Hoffmann, sehr zum Ärger seiner Familie, die Verlobung mit Minna
Doerffer aufgelöst.
In Posen gelang es Hoffmann, sein Singspiel
nach Goethes Scherz, List und Rache zur mehrmaligen
Aufführung zu bringen; trotzdem gab es kaum kulturelle Kontakte.
Einzige Ausnahme bildete der Regierungsrat Johann Ludwig Schwarz,
mit dem und anderen Kollegen Hoffmann einen Streich auf der
Karnevalsredoute 1802 ausheckte, der weitreichende Folgen zeitigen
sollte. Im geselligen Kreis zeichnete man Karikaturen auf die
Spitzen der preußischen Verwaltung in Posen und Zielscheibe waren
vorrangig die borniert wirkenden adligen Militärangehörigen. Die
Wirkung jener Karikaturen waren von derart ätzender Natur, daß
dieser Affront Hoffmanns Strafversetzung zur Folge hatte. Der Ort
in seiner schon fertig vorliegenden Beförderungsurkunde wurde
einfach mit der eines gleichrangigen Kollegen vertauscht, und so
mußte Hoffmann seine juristische Karriere in Plock, einem
3000-Seelen-Städtchen an der Weichsel, fortsetzen, das er als
Exil empfand. Es sollte nicht das letztemal sein, daß er in
Konflikt mit der preußischen Obrigkeit geriet. In der geistigen
Einöde Plock begann Hoffmann Tagebuch zu führen, das ihm die
fehlende Gesellschaft und deren kulturellen Anregungen ersetzen
sollte.
"Heute Vormittag hörte ich bey den
Norbertiner Nonnen eine Messe – die Musik war brilliant gesetzt
– sie heulten aber wie die Uhus [...] Mit meinen musikalischen
Ideen geht’s mir so wie mit Savonarola’s des Märtyrers zu
Florenz, dessen Geschichte ich in diesen Tagen las, Eingebungen:-
Erst schwirrts mir wild im Kopfe herum – dann fange ich an zu
fasten und zu beten d.h. setze mich ans Klavier, drücke die Augen
zu, enthalte mich aller profanen Ideen und richte meinen Geist auf
die musikalischen Erscheinungen in den vier Wänden meines Hirns
– bald steht die Idee klar da – ich fasse und schreibe sie auf
wie Savonarola seine Prophezeyungen – Obs nur andere Componisten
auch so machen mögen? – aber das erfährt ein
Königl.Prß.RegierungsRath in Plock nicht!"
Seine Klavierkompositionen versuchte Hoffmann
zunächst vergeblich beim Zürcher Musikalienverleger Naegeli zu
veröffentlichen. Mit Freund Hippels tatkräftiger Hilfe bemühte
er sich um eine baldige Versetzung aus Plock, doch darauf mußte
Hoffmann noch ein ganzes Jahr warten. Seine einzige kulturelle
Verbindung zur Außenwelt war die Zeitschrift Der Freimüthige,
die der berühmte Dramatiker August von Kotzebue herausgab und die
am 9. September 1803 erstmals einen Text von E.T.A.Hoffmann unter
der Namenschiffre G.D. abdruckte – Das Schreiben eines
Klostergeistlichen an seinen Freund in der Hauptstadt.
Erfreut notierte Hoffmann am 26.Oktober 1803 in seinem
Tagebuch:
"Mich zum ersten mahl gedruckt gesehen im "Freymüthigen"
– habe das Blatt zwanzigmahl mit süßen liebevollen Blicken der
Vaterfreude angekuckt – - frohe Aspecten zur literarischen
Laufbahn!- Jetzt muß was sehr witziges gemacht werden!"
Im Herbst 1803 begann Hoffmann mit der
Komposition der Messe d moll für Soli, Chor, Orchester und
Orgel, die er aber erst im Sommer 1805 vollenden sollte. Am
10.März 1804 erhielt Hoffmann endlich die ersehnte
Versetzungs-Urkunde, die ihn als Regierungsrat an die
Südpreußische Regierung nach Warschau delegierte. Sein erster
Brief aus dem ehemals polnischen Warschau vom 14.Mai 1804 an
seinen Freund Hippel vermittelt einen befreiten und vor Ideen
sprühenden Regierungsrat Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann:
"Mein Theuerster einziger Freund! Ich bin
in Warschau angekommen, bin heraufgestiegen in den dritten Stock
eines Palazzos’s in der FretaGasse No 278, habe den freundlichen
Gouverneur, den Präsidenten, der die Nase 1/8 Zoll über den
Horizont emporhebt und drey Orden trägt, und ein ganzes Rudel
Collegen gesehen und schwitze jetzt über Vorträgen und
Relationen [...] Gestern am HimmelfahrtsTage wollte ich mir etwas
zu Gute thun, warf die Akten weg und setzte mich ans Clavier um
eine Sonate zu komponieren, wurde aber bald in die Lage von
Hogarth’s Musicien enragé versezt! Dicht unter meinem
Fenster entstanden zwischen drey Mehlweibern, zwey Karrenschiebern
und einem SchifferKnechte einige Differenzien, alle Parteyen
plaidirten mit vieler Heftigkeit an das Tribunal des Höckers, der
im Gewölbe unten seine Waaren feil bietet [...] in dem
Augenblick kam auch der Kunstreiter Wambach mit JanitscharenMusik
ganz lustig daher gezogen – ihm entgegen aus der neuen Straße
eine Heerde Schweine – Große Friction in der Mitte der Straße
– sieben Schweine werden übergeritten! Großes Gequike.- O!-O!
– ein Tutti zur Qual der Verdammten ersonnen! – Hier warf ich
Feder – Papier bey Seite, zog Stiefeln an und lief aus dem
tollen Gewirre heraus durch die Krakauer Vorstadt [...] Wie es mir
in Warschau geht, frägst Du, mein theurer Freund? – Eine bunte
Welt! Zu geräuschvoll – zu toll – zu wild – alles
durcheinander – Wo nehme ich Muße her um zu schreiben – zu
zeichnen – zu komponiren!"
Hoffmann befreundete sich in Warschau mit dem
jungen Assessor Julius Eduard Itzig (seit 1809 Hitzig), neben
Hippel sein engster Freund, der ihn mit der zeitgenössischen
romantischen Literatur vertraut machte. Warschau bildete für den
sich weiter entwickelnden Musiker Hoffmann ein ideales Umfeld,
hier komponierte er das Singspiel Die lustigen Musikanten, dessen
Text von Clemens Brentano stammte; auf dem Titelblatt der Partitur
erschien erstmalig der Name E.T.A.Hoffmann. Es entstanden weitere
Klaviersonaten und vor allem seine Sinfonie in Es dur, die
Hoffmann in Warschau persönlich dirigierte, er leitete ein von
Dilettanten, d.h.Liebhaber, gebildetes Orchester, das unter
Hoffmanns Leitung sogar Sinfonien von Beethoven aufführte.
Im Juli 1805 gebar Michaelina Hoffmann eine
Tochter, die der stolze Vater nach der Schutzheiligen der Musik
Caecilia taufen ließ,, die aber zum Leid der Eltern schon zwei
Jahre später sterben sollte, es blieb das einzige Kind der
Hoffmanns.
Die Warschauer Kunst-Idylle endete am
28.November 1806, als napoleonische Truppen Warschau besetzten und
die preußischen Behörden aufgelöst wurden. Hoffmann war damit
stellungslos, weil er, wie die Mehrzahl seiner Kollegen, den Eid
auf die neue französische Regierung verweigerte. Doch er blieb
zunächst in Warschau, während seine Frau mit der Tochter nach
Posen reiste. Kurz vor seiner Abreise nach Berlin komponierte
Hoffmann die ersten Takte seiner neuen Oper Liebe und
Eifersucht nach Calderon, deren Libretto der berühmte
Shakespeare-Übersetzer August Wilhelm Schlegel verfaßte.
Am 18.Juni 1807 traf Hoffmann in Berlin ein und
versuchte vergeblich bei den preußischen Behörden um
Unterstützung und Hilfe nach; es sollte die bitterste Zeit seines
Lebens werden. Ohne Erfolg versuchte er eigene Handzeichnungen und
auch Kompositionen zu verkaufen, daher mußte der preußische
Beamte Hoffmann unter dem Existenzminimum leben, was sein
verzweifelter Brief an Hippel vom 7.Mai 1807 anschaulich
verdeutlicht:
"Alles schlägt mir hier fehl [...] ich
arbeite mich müde und matt, setze fort die Gesundheit zu und
erwerbe Nichts! Ich mag Dir meine Noth nicht schildern; sie hat
den höchsten Punkt erreicht. Seit fünf Tagen habe ich nichts
gegessen, als Brod, so war es noch nie! Es ist schrecklich den
Hafen im Gesichte zu scheitern.- Heute aß ich im Thiergarten auf
die gewöhnliche Weise - Mich sprach ein Bettler an – einer den
andern! Mit Talenten mancherley Art zu darben ist
vernichtend!"
Vom Direktor des Bamberger Theaters Graf von
Soden erhielt Hoffmann überraschend das Angebot, als neuer
Musikdirektor in Bamberg zu arbeiten, doch sollte er zuvor als
Talentprobe ein Opern-Libretto Sodens vertonen, worauf der
notleidende Arbeitslose klaglos einging.
Nebenbei skizzierte Hoffmann sein erstes
geniales Prosastück, den Ritter Gluck. Dank einer
Geldzuwendung für notleidende Beamte und weiteren Geldzuschüssen
aus Königsberg gelang es Hoffmann, nach Posen zu reisen, um dort
seine Frau abzuholen.
Am 1.September 1808 traf das Ehepaar Hoffmann
in Bamberg ein, wo der neue Musikdirektor mit großen Hoffnungen
seine Stelle antrat. Doch E.T.A.Hoffmanns Erwartungen wurden
gleich zu Beginn enttäuscht. Graf Soden hatte inzwischen die
Leitung des Bamberger Theaters niedergelegt und einem gewissen
Cuno überlassen, der in Hoffmanns Augen nur ein "unwissender
eingebildeter Windbeutel" war. Probleme gab es aber auch mit
den Musikern des Theater-Orchesters, vor allem mit dem intriganten
1.Geiger Dittmayer. Hoffmann hatte es sich seit Warschau
angewöhnt, sitzend vom Piano aus zu dirigieren, was für damalige
Verhältnisse modern und ungewöhnlich war; die behäbigen
Bamberger Musiker legten dies als Unfähigkeit Hoffmanns aus, der
aus diesem Streit als Verlierer schied und seine Stelle aufgeben
mußte. Den Titel Musikdirektor durfte er behalten und versuchte
von da ab seinen Unterhalt als Musiklehrer und vom Verkauf seiner
Kompositionen zu bestreiten. Hoffmann fand leicht Zugang zu
vornehmen und reichen Familien in Bamberg und bekam sogar einen
Kompositionsauftrag von der in Bamberg residierenden Herzogin von
Bayern. Zu dieser Zeit arbeitete er an seinem anspruchvollsten
Kirchenmusikwerk, dem Miserere in b moll und vollendete das
geniale Fantasiestück Ritter Gluck. Noch während seines
Warschauer Aufenthalts hatte Hoffmann den wichtigen Kontakt zum
Redakteur der Allgemeinen Musikalischen Zeitung in Leipzig,
Friedrich Rochlitz geknüpft, den er nun aus Bamberg wieder
aktivierte, in dem er Rochlitz am 12.Januar 1809 den Ritter
Gluck zum Abdruck in der AMZ zuschickte:
"Ich wage es einen kleinen Aufsatz, dem
eine wirkliche Begebenheit in Berlin zum Grunde liegt, mit der
Anfrage beizulegen, ob er wohl in die Musi.Zeitung aufgenommen
werden könnte?- Aehnliche Sachen habe ich ehemals in oben
erwähnter Zeitung wirklich gefunden zB. Die höchst interessanten
Nachrichten von einem Wahnsinnigen, der auf eine wunderbare Art
auf dem Clavier zu fantasieren pflegte.- Vielleicht könnte ich
mit der Redaction der Musik.Zeitung in nähere Verbindung treten
und zuweilen Aufsätze und auch Rezensionen kleinerer Werke
einliefern".
Raffiniert hatte Hoffmann dem Hofrat Rochlitz
mit diesen Briefzeilen geschmeichelt, denn der erwähnte Bericht
über einen Wahnsinnigen stammte von Rochlitz. Dieser ging auf
Hoffmanns Angebot ein und so begann für den freien Künstler
E.T.A.Hoffmann eine äußerst produktive Zeit als
Musikschriftsteller und Rezensent. Der Großteil seiner Beiträge
für die AMZ, darunter Hoffmanns bahnbrechende Rezension zu
Beethovens 5.Sinfonie und die Kreisleriana, erschien 1814
in seiner ersten Erzählsammlung Fantasiestücke in Callots
Manier. Bevor Rochlitz den Ritter Gluck abdruckte,
bestand er auf Kürzungen und einer stilistischen Überarbeitung
des Manuskripts, das leider nicht mehr erhalten ist. Als neuer
Mitarbeiter gab Hoffmann diesen Forderungen nach und so erschien
der Ritter Gluck in der AMZ Nr.20 vom 15.Februar 1809; erst
einen Monat später bekam Hoffmann seinen eigenen Text zu lesen
und notierte in seinem Tagebuch:
"Den Ritter Gluk gedruckt gelesen!- Es ist
sonderbar, daß sich die Sachen gedruckt anders ausnehmen als
geschrieben."
Zu seinen wichtigsten neuen Bekanntschaften in
Bamberg gehörten die Mediziner Marcus und Speyer. Bamberg galt
noch zu Hoffmanns Zeiten als ein Zentrum medizinischer
Wissenschaft und vorbildlich in der Krankenversorgung .Adalbert
Friedrich Marcus war der Leibarzt des Fürstbischofs und Direktor
der Medizinal- und Krankenanstalten in den fränkischen
Fürstentümern, einer der fortschrittlichsten Mediziner in
Deutschland. Ein von Hoffmann gemaltes Ölbild zeigt Marcus
zusammen mit Hoffmann in antiker Pose. Durch Marcus und Speyer
wurde Hoffmann mit der Problematik von Geisteskrankheiten und
deren Heilmethoden bekannt gemacht. Zusammen mit Marcus besuchte
er in der Bamberger Irrenanstalt St.Getreu Geisteskranke und
Somnambule, las danach auch die ihm empfohlenen Fachwerke von Reil,
Schubert, Kluge, Pinel und Mesmer. Die Traum-, Spuk-, Wahnsinns-
und Gespensterdarstellungen in Hoffmanns folgenden Erzählungen
beruhen auf genauester theoretischer und praktischer Kenntnis der
entsprechenden Phänomene, was sich auch auf seine späteren
juristischen Gutachten auswirken sollte.
Im Jahre 1810 wurde Hoffmanns alter Bekannter
aus Berlin, Franz von Holbein zum neuen Theaterdirektor in Bamberg
ernannt; während seiner zweijährigen Intendanz gewann er
Hoffmann als Mitarbeiter ohne Amt. Der Musikdirektor
E.T.A.Hoffmann agierte nun kongenial als Kapellmeister, Komponist,
Theatermaler und Bühnenarchitekt.. Holbeins Spielplan mit den
Dramen Shakespeares, Kleists und vor allem Calderons wurde auch
von Hoffmann beeinflußt, der über die Calderon-Inszenierungen in
Bamberg einen anschaulichen Aufsatz in den Musen
publizierte. Seine enge Bekanntschaft mit dem seit 1807 in Bamberg
ansässigen Wein- und Buchhändler Carl Friedrich Kunz sollte für
den langsam reüssierenden Schriftsteller E.T.A.Hoffmann
produktive Folgen haben. Kunz gründete in Bamberg ein
Lese-Institut, das sich zur größten kommerziellen
Leih-Bibliothek Bayerns entwickelte; am ersten Katalog arbeitete
auch Hoffmann mit, er betreute u.a. die italienische Abteilung, da
er diese Sprache fließend sprach. Kunz wurde Hoffmanns erster
Verleger mit den 1814-15 erschienenen Fantasiestücken in
Callots Manier und der antinapoleonischen Flugschrift Die
Vision auf dem Schlachtfeld bei Dresden, wobei die
vierbändigen Fantasiestücke Hoffmanns Ruhm als
Schriftsteller begründeten, die kein geringerer als der schon
berühmte Jean Paul mit einem Vorwort einleitete.
Die erotische Leidenschaft für seine junge
Gesangschülerin Julia Mark wurde Hoffmann in Bamberg fast zum
Verhängnis. In seinen offenen Tagebuch-Notizen hat Hoffmann diese
amour fou anschaulich dokumentiert. Da seine Frau Mischa
eifersüchtig in seinen Tagebüchern zu lesen pflegte, chiffrierte
Hoffmann erotische Stellen mit griechischen Buchstaben oder
schrieb italienisch. Für Julia Mark verwendete Hoffmann in seinen
Tagebüchern den Decknamen Käthchen, nach seinem
Lieblingsstück Das Käthchen von Heilbronn von Heinrich
von Kleist. Die folgenden Tagebuch-Zitate charakterisieren
anschaulich Hoffmanns damalige Gefühlslage:
"exotische Streiche im Übermaß –
Ktch-Ktch-Ktch!!! Exaltiert bis zum Wahnsinn [...] Es bleibt noch
von der gestrigen höchst exotischen Stimmung vielzu bemerken
Ktch-Ktch-Ktch – O Satanas – Ich glaube daß irgendetwas
Hochpoetisches hinter diesem Dämon spukt, und insofern wäre Ktch
nur als Maske anzusehen.".-
Die über Jahre schwelende Affäre kulminierte
anläßlich der Verlobungsfeier Julia Marks in Pommersfelden; ihr
weitaus älterer Bräutigam – es war nur eine schnöde
Geldheirat – wurde von Hoffmann rüde beleidigt, der, wie auch
der Bräutigam, stark alkoholisiert war. Da Hoffmann auch noch die
Brautmutter beschimpfte, verbot die Konsulin dem Musiklehrer ihrer
Tochter das Haus. Obwohl der Musikdirektor E.T.A.Hoffmann in
Bamberg zahlreichen Tätigkeiten nachging, er handelte auch mit
Musikalien des Verlages Breitkopf&Härtel, mußte er
zeitweise, wie zuvor schon in Berlin hungern, da seine schmalen
Einnahmen und Honorare nie lange vorhielten. Für einige Wochen
zog er auf die Altenburg, die seinem Freund Dr.Marcus gehörte;
dort malte er einige Gewölbe aus und begann mit der Komposition
seiner Zauberoper Undine, die er erst in Berlin vollenden
sollte.
Jahre später bezeichnete Hoffmann seine
Bamberger Zeit als seine "Lehr-und Marterjahre", die
sich aus dem Munde seines poetischen alter egos Johannes Kreisler
wie folgt ausnahmen:
"Das Talent der Fräulein Röderlein ist wirklich nicht
das geringste. Ich bin nun fünf Jahre hier und viertehalb Jahre
im Röderleinschen Hause Lehrer; für diese kurze Zeit hat es
Fräulein Nanette dahin gebracht, daß sie eine Melodie, die sie
nur zehnmal im Theater gehört und am Klavier dann höchstens noch
zehnmal durchprobirt hat, so wegsingt, daß man gleich weiß, was
es seyn soll. [...] Während des Gesangs hat die Finanzräthin
Eberstein durch Räuspern und leises Mitsingen zu verstehen
gegeben: ich singe auch. Fräulein Nanette spricht: Aber liebe
Finanzräthin, nun mußt du uns auch deine göttliche Stimme
hören lassen.
Es entsteht ein neuer Tumult. Sie hat den Catarrh – [...] sie
kann nichts auswendig!- [...]
Erst will sie singen Der Hölle Rache
[...] In der Angst schlage ich vor: Ein Veilchen auf der Wiese.
Aber sie ist fürs große Genre, sie will sich zeigen, es bleibt
bei der Constanze.-
O schreye du, quieke, miaue, gurgle, stöhne,
ächze, tremulire, quinkelire nur recht munter: ich habe den
Fortissimo-Zug getreten und orgle mich taub.- O Satan, Satan!
Welcher deiner höllischen Geister ist in diese Kehle gefahren,
der alle Töne zwickt und zwängt und zerrt! Vier Saiten sind
schon gesprungen, ein Hammer ist invalid. Meine Ohren gellen, mein
Kopf dröhnt, meine Nerven zittern. Sind denn alle unreinen Töne
kreischender Marktschreyer-Trompeten in diesen kleinen Hals
gebannt? - Das hat mich angegriffen - ich trinke ein Glas
Burgunder!"
Im Februar 1813 bekam E.T.A.Hoffmann völlig
unerwartet ein Stellenangebot vom Schauspiel-und Opern-Impresario
Joseph Seconda in Leipzig und Dresden; empfohlen hatten ihn der
AMZ-Redakteur Rochlitz und der Verleger Härtel. Im April 1813
verließ Hoffmann mit seiner Frau Bamberg, um nach Dresden zu
reisen, wo er aber wegen der napoleonischen Kriegswirren seinen
neuen Arbeitgeber Seconda nicht antraf. Stattdessen lief er
überraschend seinen alten Freund Hippel in die Arme, der als
Staatsrat im Gefolge des preußischen Staatskanzlers von
Hardenberg in Dresden weilte, aber kurz danach die Stadt vor
Napoleons Einmarsch wieder verließ. Hoffmann lebte nun mit seiner
Frau mitten im Kriegsgeschehen, das er später in seinen
Erzählungen verarbeiten sollte. Endlich erhielt er von Seconda
den Bescheid, nach Leipzig zu kommen, doch auf der Reise dorthin
stürzte die Postkutsche um. Hoffmanns Frau Mischa wurde am Kopf
schwer verwundet, Hoffmann selbst nur leicht verletzt, aber eine
mitreisende Gräfin Fritsche überlebte diesen Unfall nicht.
Selbst während dieser anstrengenden Reise im Kriegsgetümmel
arbeitete Hoffmann weiter an seiner Erzählung Der Magnetiseur.
Während des Zeitraums seines Engagements bei Seconda dirigierte
Hoffmann eine große Anzahl von zeitgenössischen Opern, darunter
Mozarts Die Zauberflöte und Die Entführung aus dem
Serail. Doch kam es auch bei diesen Gelegenheiten zu
unangenehmen Zusammenstößen zwischen Hoffmann und Seconda, der
seinem Musikdirektor die Schuld am schlechten Zustand des
Orchesters gab. Doch darf man davon ausgehen, daß Hoffmann seinen
Lieblingskomponisten Mozart, den er schon seit seiner
Königsberger Zeit eifrig studierte, mit großem Engagement
dirigierte; die Schuld lag wohl eher bei den schlecht bezahlten
Orchestermusikern. Neben dem Dirigieren schrieb Hoffmann weiterhin
seine bahnbrechenden Musikrezensionen für die AMZ und konzipierte
in Dresden sein, in eigener Einschätzung, bedeutenstes Werk, das
Märchen Der goldene Topf. Im Februar 1814 kündigte
Seconda seinem Musikdirektor die Stelle, der später ein neues
Arbeitsangebot folgte, das Hoffmann jedoch ablehnte.
Der erneut stellungslose Musikdirektor
E.T.A.Hoffmann lebte weiterhin von Zeitungsbeiträgen, verkauften
Karikaturen und vom Übersetzen; nebenbei begann er mit der
Konzeption seines Romans Die Elixiere des Teufels. Erneut
kam es zu einem Treffen mit seinem Freund Hippel, und nun
entschloß sich Hoffmann mit Hippels Hilfe wieder als Jurist in
den Staatsdienst zurückzukehren, denn Hippel besaß inzwischen
die Gunst des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., für
den Hoffmanns bester Freund den berühmten Aufruf An mein Volk
verfasste. Dank dieser Konnexionen gelang es Hoffmann, wieder beim
Berliner Kammergericht unterzukommen, wobei das erste halbe Jahr
ohne Gehalt abzuleisten war.
Trotz der unerfreulichen Erfahrungen während
der Zeit als Secondas Musikdirektor, waren die Dresdener und
Leipziger Jahre für den Künstler E.T.A.Hoffmann äußerst
produktiv, denn dort entstanden u.a. Der goldene Topf, Der
Magnetiseur, Die Automate und der erste Teil der Elixiere
des Teufels, vor allem aber arbeitete Hoffmann kontinuierlich
an der Zauberoper Undine, seinem musikalischen chef d’oeuvre.
Am 26.September 1814 trafen Hoffmann und seine
Frau Mischa in Berlin ein, wo er von nun ab wieder als Jurist im
preußischen Staatsdienst arbeitete. Im Unterschied zu seinen
früheren Berliner Aufenthalten war der Künstler E.T.A.Hoffmann
nun kein Unbekannter mehr, denn die ersten beiden Bände seiner Fantasiestücke
in Callots Manier sorgten für Furore dank der Reklame seines
Warschauer Freundes Hitzig, der, bevor er wieder ans Kammergericht
zurückkehrte, eine Buchhändler- und Verleger-Karriere in Berlin
gestartet hatte. Während eines Romantiker-Diners lernte Hoffmann
bereits einen Tag nach seiner Ankunft in Berlin die Dichter
Fouqué, Chamisso, Ludwig Tieck und den Maler Philipp Veit kennen.
In lockerer Folge kam es immer wieder zu derartigen
Künstlertreffen, bei denen Hoffmann auch Eichendorff und Contessa
kennenlernte und diese Eindrücke später in den Gesprächen
seiner Serapionsbrüder künstlerisch verwertete.
Ende Oktober 1814 erschien der dritte Band der Fantasiestücke
mit dem Märchen Der goldene Topf und Hoffmann bekam immer
häufiger Angebote, als Autor für die zahlreichen Taschenbücher
und Almanache jener Zeit zu schreiben; nur wenige Jahre später
gehörte er zu den höchstbezahlten Almanach-Autoren im gesamten
deutschen Sprachraum. Nicht wenige dieser Erzählung nahm Hoffmann
später in sein vierbändiges Werk Die Serapionsbrüder
auf. Ein anschauliches Bild seines damaligen Treibens in Berlin
zeigt Hoffmanns Brief an seinen Künstlerfreund Fouqué, dem
Dichter der Undine:
"Ich habe jetzt folgendes zu thun:
-
Allerley Diebe, Nothzüchtiger, Betrüger pp liegen auf dem
grünen Tisch, und warten, daß ich sie einigermaßen prügele
und ins Zuchthaus schicke – nebenan Rubrica II zänkische
Naturen, die sich streiten um schnödes Geld, oder gar
beleidigt auf einander losfahren, weil einer zum andern sagte:
Sie sind borstig! Und dieser meinte: Herr!- ich glaube gar,
Sie nennen mich rhetorischer Weise (Synekdoche) ein Schwein?
– worauf jener replizirte: Keineswegs – nur oder seulement
: Schweinigel!
-
Muß ich den zweiten Theil der Elixiere des Teufels
vollenden der zur MichaelisMesse bei Dunker und Humblot
erscheint, da ich gesonnen bin nächstens bey Dietrich
merkliches vom Honorar zu verfressen.
-
Ein großes Packet Recensenda für die Musikalische
Zeitung, blickt mich im gräulichen Umschlag recht
gespenstisch an, und aus ihm ertönen dumpfe Stimmen: erlöse
– erlöse – erlöse uns aus dem Fegefeuer in dem wir
schmachten!!! (ich höre bei Uhden jetzt Dante’s Purgatorio!
– eine hier paßliche Bemerkung)
-
Hr.Kunz in Bamberg hat im Meßkatalog angezeigt, daß zur
MichaelisMesse vom Verfasser der FantasieSt: in C. M.
erscheinen würden: Leichte Stunden eines wahnsinnigen
Musikers, ein Buch für Kenner. Ich muß allso aus
Höflichkeit wirklich: Leichte Stunden e.w.M.
schreiben.
-
Habe ich auf sonderbare Weise ohne es zu wollen zum zweiten
Heft der deutschen Wehrblätter die jetzt hier
erscheinen sollen einen Aufsatz geliefert: der Dey von Elba
von Paris und dadurch die Quälerey veranlaßt, die man
jetzt mit dem: Mehr Mehr! an mir übt.
-
Bin ich sehr faul!
[...] und ich habe jetzt den verteufelten
Criminalprozeß am Halse!"
Das von Hoffmann erwähnte Buch Leichte
Stunden eines wahnsinnigen Musikers blieb ein unausgeführtes
Projekt, desser korrekter Titel Lichte Stundes eines
wahnsinnigen Musikers vom Verleger Kunz verhunzt wurde.
Langwierig zogen sich die Vorbereitungen zur
Uraufführung von Hoffmanns Zauberoper Undine hin, doch
konnte Hoffmann als Bühnenbildner den Oberbaurat Karl Friedrich
Schinkel gewinnen. Zwar verschlangen die grandiosen
Bühnenentwürfe Schinkels Unsummen, doch trugen sie erheblich zum
großen Publikumserfolg der Undine bei.
Am 3. August 1816, dem Geburtstag des
preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., wurde E.T.A.
Hoffmanns Zauberoper Undine im Königlichen Schauspielhaus
am Gensd’armen Markt erfolgreich uraufgeführt.
Im März 1817 schrieb Carl Maria von Weber,
dessen Freischütz, wenig später zu einem Riesenerfolg
werden sollte, eine Kritik über Hoffmanns Undine in der
AMZ:
"deutlicher und klarer, in bestimmten
Farben und Umrissen hat der Componist die Oper ins Leben treten
lassen. Sie ist wirklich ein Guss, und Ref[erent] erinnert sich
bey oftmaligem Anhören keiner einzigen Stelle, die ihn nur einen
Augenblick dem magischen Bilderkreise, den der Tondichter in
seiner Seele hervorrief, entrückt hätte. Ja, Er erregt so
gewaltig vom Anfang bis zu Ende das Interesse für die musikal.
Entwicklung, daß man nach dem ersten Anhören wirklich das Ganze
erfaßt hat und das Einzelne in wahrer Kunst-Unschuld und
Bescheidenheit verschwindet.[...] Möge Hr.Hoffmann der Welt bald
wieder etwas so Gediegenes, als diese Oper ist, schenken..."
Vierzehnmal wurde die Undine aufgeführt,
dann brannte das Schauspielhaus mit dem unersetzbaren
Schinkelschen Kulissen ab, und damit war tragischerweise das
Schicksal von Hoffmanns Oper besiegelt, denn es gab keine
Wiederaufnahme mehr zu seinen Lebenszeiten. In den letzten Jahren
sind bemerkenswerte Neuinszenierungen der Undine in Berlin,
Bamberg und zuletzt in Rheinsberg aufgeführt worden.
Über den Brand des Schauspielhauses berichtete
Hoffmann seinem alten Freund Adolph Wagner, dem Onkel Richard
Wagners, nach Leipzig:
"Es war die lezte Oper in dem Hause,
welches den dritten Tag darauf herunterbrannte. [...] Ich könnte
Ihnen erzählen, daß ich bey dem Brande des Theaters von dem ich
nur 15 bis 20 Schritt entfernt wohne, in die augenscheinlichste
Gefahr gerieth da das Dach meiner Wohnung bereits brannte..."
Diesem Brief an Wagner legte Hoffmann eine
eigens angefertigte Handzeichnung bei, die den Brand anschaulich
karikierte.
Jedes Jahr erschienen nun neue Bücher von
E.T.A.Hoffmann wie Die Elixiere des Teufels, die Nachtstücke,
Seltsame Leiden eines Theaterdirektors, Klein Zaches, Die
Serapions-Brüder, Lebensansichten des Katers Murr, Prinzessin
Brambilla und zuletzt der Meister Floh.
Diese kontinuierliche Literaturproduktion von
Rang, nebenbei entstanden noch die Almanach-Erzählungen, kann
wohl kaum von einem Alkoholiker geschaffen worden sein. Als ein
solcher wurde Hoffmann nach seinem frühen Tod hingestellt,. wobei
ein Großteil der Schuld wohl Offenbachs Oper Hoffmanns
Erzählungen zuzuschreiben ist, denn Offenbach tradierte das
Bild des saufenden Genies Hoffmann weiter, der Künstler wurde zur
alkoholisierten Operettenfigur verzerrt. Natürlich hat Hoffmann
etliche Mengen Alkohol konsumiert; wenn er krank daniederlag,
trank er morgens schon Rum, um sich "zu montieren". Sein
Weinkonsum war legendär und die Rechnung bei Lutter & Wegner
erreichte astronomische Höhen. Der Wein wurde zur Anregung und
Beflügelung seiner Fantasie getrunken. Sicher ist doch, daß sich
im Vollrausch keinerlei ernsthafte Kunstwerke schaffen lassen. Zu
seinen engsten Freunden in Berlin gehörte der geniale
Schauspieler Ludwig Devrient, der vor allem in Shakespeare-Rollen
brillierte und dem Hoffmann im Frühjahr 1817 folgende Einladung
zukommen ließ:
"Das es jetzt beinahe 11 Uhr ist vermuthe
ich mit Recht, daß die katzenschwangere MorgenNebel sich verzogen
haben werden, so daß ich Dir mit meinen Worten und Bitten
deutlich erscheine.- [...] Das Pücklerscher Sallat ein gutes
Essen und Portwein ein gutes Getränk für Magenschwache Menschen
als wir beide sind ( ich kacke seit gestern beträchtlich und kann
nicht ausgehen) ist, so hoffe ich mit Recht, daß wir neben
geistiger Nahrung auch mit körperlicher uns leidlich stärken
könten. Allso! Ziehe o Bester! Stiefeln an und eile zu Deinem
treuen Geheimen Archivarius Lindhorst".
Durch ein Reskript des preußischen Königs
Friedrich Wilhelm III. wurde Hoffmann am 22.April 1816 zum
Kammergerichtsrat ernannt. Sein stattliches Gehalt betrug nun
jährlich 1000 Reichstaler; schon einen Monat später wurde er
wirkliches Mitglied des Kriminalsenats am Berliner Kammergericht.
Die Rechtsphilosophie Immanuel Kants bildete das Fundament von
Hoffmanns juristischem Handeln, sie war auch Grundlage für das
seit 1794 geltende Allgemeine Preußische Landrecht. Durch seine
in Bamberg erworbenen Kenntnisse der romantischen Medizin wußte
Hoffmann, daß irrationale Kräfte auf Menschen einwirken konnten
und daher die Grenzen zwischen Gesundheit und Wahnsinn fließend
waren, was zur Folge hatte, daß das juristische Problem der
Schuldfähigkeit neu definiert werden mußte.
Hoffmanns Gutachten über die Mordtat des
Tabaksspinnergesellen Daniel Schmolling, der scheinbar ohne Motiv
seine Geliebte erstochen hatte, gilt als Musterbeispiel für die
Problematik der Schuldfähigkeit. Georg Büchner benutzte später
den Fall Schmolling als Hauptquelle für sein Dramenfragment Woyzeck.
Die Verteidigung des angeklagten Schmolling versuchte dessen
Unzurechnungsfähigkeit mit Schmollings angeblichem Wahnsinn zu
begründen, doch der Richter E.T.A.Hoffmann plädierte, scheinbar
konservativ und reaktionär, für die Todesstrafe. Ein nicht
erkennbares Verbrechensmotiv verweise nicht automatisch auf
Wahnsinn; so Hoffmann, der die Rechtsprechung nicht den
subjektiven Erkenntnissen von Psychologen überlassen wollte,
trotzdem er selbst als Schriftsteller an psychologischen Problemen
einer Straftat starkes Interesse nahm. Hartmut Mangold hat in
seinem exzellenten Buch Gerechtigkeit durch Poesie diesen
und andere juristische Fälle E.T.A.Hoffmanns nachvollziehbar
analysiert und interpretiert. Für den Rechtshistoriker Mangold
besaß Hoffmann die typisch preußischen Juristentugenden, als da
wären unvoreingenommene Rationalität, Humanität, Abneigung
gegen Willkür und "eine ausgeprägte Skepsis gegenüber der
Kompetenz des menschlichen Erkenntnisvermögens".
Der preußische Justizminister Trützschler
lobte den Kammergerichtsrat Hoffmann im anfallenden Jahresbericht
1819 wie folgt:
"Sein hervorstechendes Talent, sein
Scharfsinn und die Präcision seiner Arbeiten [...] und das
angenehme Gewand, worin er auch die abstraktesten Sachen zu
kleiden weiß. Seine schriftstellerischen Arbeiten [...] thun
seinem Fleiße keinen Eintrag und die üppige zum Komischen sich
hinneigende Phantasie die in demselben vorherrschend ist,
kontrastirt auf eine merkwürdige Art mit der kalten Ruhe und mit
dem Ernst, womit er als Richter an die Arbeit geht".
Hoffmanns Gehalt wurde auf 1300 Rth. erhöht,
und am 1.Oktober 1819 ernannte man ihm zum Mitglied einer neuen,
vom preußischen König eingesetzten, Immediat-Untersuchungs-Kommision
zur Ermittlung hochverrätherischer Verbindungen und anderer
gefährlicher Umtriebe. Mit dieser Kommission verwirklichte
Preußen die Karlsbader Beschlüsse von 1819 und verfolgte
zusammen mit Österreich unter dem Kanzler Metternich repressiv
"die von ihnen selbst herbeigeredete, angebliche
gesamtdeutsche revolutionäre Verschwörung [...] unter denen sie
die Aktivitäten der liberalen Verfassungsbewegungen, vor allem
die Studentenbünde" zu erkennen glaubte. Diese angeblich
terroristische Opposition klagte aber nur die während der
Befreiungskriege von Preußen und anderen Staaten zugesagten, aber
nicht eingehaltenen Bürgerrechte ein. Doch der im März 1819 von
dem Studenten Karl Ludwig Sand ausgeübte Mord an den Dichter und
Staatsrat August von Kotzebue, mit dem ja auch Hoffmann
korrespondiert hatte, verschärfte den Konflikt zwischen dem Staat
und den angeblich terroristischen Demagogen. Die
Immediatskommission (IUK), in der Hoffmann nun als Richter tätig
war, hatte die Funktion eines Untersuchung- und Haftrichters.
Hoffmann und seine Kollegen "waren schon zu Beginn ihrer
Tätigkeit – die ersten Verhaftungen der sogenannten ‚Demagogen‘
hatten ja bereits im Juli 1819 begonnen – weitgehend
desillusioniert [...] Sie sollten den politisch motivierten
Repressionsmaßnahmen ein juristisches Deckmäntelchen liefern.
Diesem Ansinnen verweigerte sich Hoffmann ebenso wie seine
Richterkollegen konsequent". Das belegen die überlieferten
Gutachten Hoffmanns innerhalb der Untersuchung gegen Follen,
Roediger, Mühlenfels und vor allem gegen den Turnvater Friedrich
Ludwig Jahn, den Hoffmann als "Hüpf- und Sprungmeister"
persönlich nicht ausstehen konnte, dessen Freilassung er aber
bravourös erkämpfte.
In diesem Rahmen geriet der Kammergerichtsrat
Hoffmann in Konflikt mit dem Polizeidirektor und späteren
Innenminister von Kamptz, dem Hoffmann ohne Scheu unrechtmäßige
Eingriffe in einen Untersuchungsvorgang vorwarf. Kamptz sollte
Hoffmann diesen Affront nie vergessen und den stets Rückgrat
zeigenden Kammergerichtsrat Hoffmann bis zu dessem Tode verfolgen.
Schon in seinem genialen Doppel-Roman Lebensansichten des
Katers Murr hatte Hoffmann seinen Widersacher von Kamptz als
Hofhund Achilles, der die demagogischen Kater verfolgt,
unsterblich karikiert; doch nur wenige Leser entschlüsselten
damals diese Satire. Unvorsichtigerweise plauderte Hoffmann im
Weinhaus laut über sein neuestes Buch Meister Floh, in dem
er die gesamte preußische Demagogenverfolgung verspotten sollte.
Diese Gerüchte erfuhr nicht nur Heinrich Heine, sondern auch der
Polizeidirektor von Kamptz, der Hoffmanns Manuskript
beschlagnahmen ließ, worauf das Buch 1822 ohne die beanstandeten
Passagen erschien, in denen ein gewisser Knarrpanti sein Unwesen
trieb:
"der würdige Knarrpanti mußte zu seinem
nicht geringen Verdruß bemerken, daß die Leute sich mit allen
Zeichen des Ekels und Abscheus die Nasen zuhielten, wenn er
vorüberging, und ihre Plätze verließen, wenn er sich an die
Wirtstafel setzen wollte. [...] So mußte aber Knarrpanti das Feld
mit Schimpf und Schande räumen".
Unschwer erkannte sich Kamptz in dem Anagramm
Knarrpanti – lies: "Narr Kamptz" -
wieder. Diese zensierte Passage konnten die
Hoffmann-Enthusiasten erst im Jahr 1906 lesen, da sie aus der
Erstausgabe von 1822 eliminiert wurden. Allerdings hatte Hoffmann
verbotenerweise wörtlich aus den Strafakten zitiert, und daher
sollte ihm, dem Richter, der Prozeß gemacht werden, der eine
erneute Strafversetzung zur Folge gehabt hätte. Aber Hoffmanns
Tod am 25. Juni 1822 verhinderte diesen peinlichen Ausgang.
E.T.A.Hoffmann starb an einer Rückenmarkslähmung; die letzten
Monate seines so kurzen Lebens diktierte er völlig gelähmt –
ähnlich wie Heinrich Heine später – seine letzten Erzählungen
u.a. Des Vetters Eckfenster und Der Feind.
Seinem Begräbnis wohnten zahlreiche Freunde und Bekannte,
vermutlich auch Heinrich Heine, bei.
Die Wirkungsgeschichte des Künstlers E.T.A.Hoffmann begann
bereits ein halbes Jahr nach seinem Tod mit einer
Dokumentar-Biographie seines Freundes und Nachlaßverwalters
Julius Eduard Hitzig, die bis 1839 drei Auflagen erlebte. Hoffmann
war damals ein Modeautor, der etliche Epigonen nach sich zog. Zu
den fleißigen Lesern von Hoffmanns Werken gehörten Heinrich
Heine, Gottfried Keller und Karl Immermann. Noch stärker wurde
Hoffmanns Werk in Frankreich und Rußland rezipiert, es seien hier
nur summarisch die Namen Balzac, Baudelaire, Nerval, Puschkin,
Gogol, Dostojewski, Belyi und Bulgakow genannt; aber auch der
große Amerikaner Edgar Poe sei hier nicht vergessen.
In Deutschland wurde Hoffmann um 1900
wiederentdeckt; starken Einfluß hatte seine Werk auf Gustav
Meyrink, vor allem aber auf Thomas Mann, der den Kater Murr
als formales Vorbild für seinen Roman Doktor Faustus benutzte.
Hoffmanns nicht enden wollende Wirkung lese man an den Namen Arno
Schmidt, Hans Wollschläger, Tankred Dorst oder Franz Fühmann,
Christa Wolf und Irmtraud Morgner ab.
Auch auf Komponisten hatte die
Künstlerpersönlichkeit E.T.A.Hoffmann eine starke
Anziehungskraft, wobei mehr das dichterische als das
kompositorische Werk des Romantikers anregend wirkte. Robert
Schumann, Richard Wagner, Jacques Offenbach, Ferrucio Busoni, Hans
Pfitzner, der die Undine als Klavierauszug herausgab, Paul
Hindemith und Horst Lohse empfingen starke Impulse durch
E.T.A.Hoffmann. Heutzutage gehört Hoffmann zu den am häufigsten
illustrierten Künstlern; es seien hier nur stellvertretend die
Namen Alfred Kubin, Hugo Steiner-Prag, Joseph Hegenbarth, Eberhard
Brucks, Horst Janssen, Fritz Fischer oder Michael-Mathias Prechtl
genannt.
Auch bedeutende Filmregisseure ließen sich
durch Hoffmanns Leben und Werk inspirieren; Ingmar Bergmans Filme Das
Gesicht oder Die Stunde des Wolfs stecken voller Motive
Hoffmanns.
Der geniale, leider zu früh verstorbene,
russische Regisseur Andrej Tarkovskij, dessen sieben Filme zu den
größten der Filmgeschichte gehören, plante einen Film unter dem
Titel Hoffmanniana, den er leider nicht mehr realisieren
konnte.
Das Schlußwort gebührt aber dem großen
Schriftsteller und Hoffmann-Enthusiasten Franz Fühmann:
"Hoffmann hat das Bewußtsein und den Mut
aufgebracht, sich jenen unhellen und wenig anheimelnden Kräften
zu stellen, von denen man gern die Augen abwendet, falls man ihre
Existenz nicht prinzipiell leugnet, und man wird ihm wohl nicht
ganz gerecht, wenn man sein Werk nur in Auswahl wahrnimmt, also
mit ihm gerade das tut, was mit der Wirklichkeit nicht getan zu
haben Hoffmanns Größe wie Besonderheit ausmacht. Man kann
Hoffmann ohne Hoffmann schlecht haben, man umarmte sonst eine
Chimäre, doch auch das wäre gar nicht hoffmannesk, denn seine
Gespenster sind real und nicht illusionär. Man wird Erbe nie
verfügbar besitzen, wenn man es auf das Genehme
beschränkt."
E. T. A. Hoffmann als Komponist
AV 22 A-dur & AV 27 f-moll
E.T.A.Hoffmanns kompositorisches Werk umfaßt
über 30 Bühnenwerke – Opern, Singspiele, Bühnen-,
Ballettmusik, Melodramen-, über 50 Instrumental- und Vokalwerke,
darunter mehrere Messen. Der größere Teil seiner Kompositionen
ist verschollen bzw. wurde vernichtet. Doch haben sich immerhin
über 30 Werke mit insgesamt 5000 Notenseiten erhalten. In der
Einschätzung der älteren Forschung erschienen Hoffmanns
Kompositionen als tradtionalistisch, ja sogar epigonal, was sich
mit seiner angeblichen Abhängigkeit von der Wiener Klassik
erkläre. Aber selbst Haydn und Mozart haben in einem weit
höheren Maß an Traditionen und Entwicklungen ihrer Zeit
angeknüpft; daher hat die neuere Forschung Kompositionsweisen
nicht mehr monokausal auf große Komponisten
zurückgeführt, sondern in einem viel breiteren Traditionsstrom
gestellt. Die differenziertere Kenntnis des Zeitstils gibt nun
auch den Blick frei auf die besondere Manier der Hoffmannschen
Kompositionen.
Zwar sind Melodik und Harmonik zum großen Teil
traditionell, doch sind seine Werke mit Sorgfalt orchestriert;
seine Instrumentation schließt sich an die klassische Praxis an,
insbesondere was die Standardbesetzung eines Orchesters angeht. In
seiner Kunst, vor allem in der Benutzung der Bläser, erlesene
Klangfarbenreize in den Dienst des musikalischen Ausdrucks zu
stellen, geht Hoffmann über klassische Verfahren weit hinaus.
Entgegen dem mißverstandenen Satz über den Primat der
Instrumentalmusik ergibt sich aus Hoffmanns Ästhetik, daß er die
Werke, in denen Musik und Ton zusammentreffen, von seinem
Universalkonzept her noch höher einschätzte.
Die Klaviersonate A-dur (AV 22) entstand
1804/05 in Warschau, das Autograph ist verschollen und
Selbstkommentare Hoffmanns zu dieser Sonate existieren nicht,
daher sei hier nur kurz das geistige Umfeld skizziert. Als am
31.Mai 1805 die musikalische Ressource der deutschen Beamten in
Warschau gegründet wurde, berief man Hoffmann zum zweiten
Präsidenten, Sekretär, Bibliothekar und Dirigenten der
Gesellschaft. Neben seiner eigenen Sinfonie in Es-dur hatte sich
Hoffmann auch als Pianist und Sänger an den allwöchentlich
stattfindenden Konzerten der Gesellschaft beteiligt.
Nach Werner Keil folgt die A-dur Sonate
Hoffmanns in ihrer ungewöhnlichen Satzanordnung Mozarts
Es-Dur-Sonate (KV 282). Günter Wöllner sieht in seiner
Interpretation Ländler-Anklänge Beethovens und Schuberts, auch
finden sich Spuren der A-dur-Sonate noch in Hoffmanns später
entstandenen Oper Aurora.
Die kleinere f.-moll-Sonate (AV 27) Hoffmanns
entstand im Herbst 1807, die erhaltene Reinschrift zusammen mit
der F-dur-Sonate (AV 29) ist erhalten und liegt in der
Staatsbibliothek zu Berlin. Hoffmann selbst bezeichnete sie als
"nach der ältern Art gesezt" und Werner Keil vermutet
als Vorbild Mozarts Fantasie für eine Orgelwalze (KV 608),
vor allem für den formalen Aufbau der Klaviersonate.´
E.T.A.Hoffmann
Klaviersonate in cis-moll (AV 40)
Von den zahlreichen Klaviersonaten, die
E.T.A.Hoffmann komonierte sind allein fünf erhalten geblieben.
Seine letzte überlieferte Klaviersonate ist die in cis-moll (AV
40), deren Autograph erhalten ist und in der Staatsbibliothek zu
Berlin liegt. Die Datierung ist etwas problematisch, da keine
direkten Selbstzeugnisse Hoffmanns zu seiner letzten Klaviersonate
überliefert sind.
Die jüngere Hoffmann-Forschung datiert
Hoffmanns cis-moll-Sonate in die Zeit zwischen Ende Oktober 1807
und Ende Juli 1809, sie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in
Bamberg entstanden. Nach Werner Keil ist die cis-moll Sonate nach
Hoffmanns Beschäftigung mit den Klaviersonaten Beethovens in
Bamberg entstanden, ihn erinnern Hoffmanns Tonartenwahl und die
Akkordbrechungen im dritten Satz an Beethovens Mondscheinsonate
op.27, Nr.2.
Für Gerd Allroggen ist die Verfeinerung von
Hoffmanns Satztechnik gegenüber den früheren Sonaten
unverkennbar und es fällt auf, daß der Komponist E.T.A.Hoffmann
bei gesteigerten technischen Ansprüchen den Klaviersatz auf die
Erfordernisse des Instruments justiert. "In der cis-moll
Sonate gönnt der Kontrapunktiker Hoffmann auch "seiner
eigenen Manier" wieder Raum; seine letzte Sonate entwickelt
die durch Nägeli beeinflußte Schreibweise weiter, knüpft aber
zugleich bei dem älteren Werk wieder an: Hoffmann löst sich vom
Diktat des Verlegers und findet wieder zu sich selbst." (G.Allroggen
,1971)
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