Meine sehr
verehrten Damen und Herren, verehrte Mitglieder
des Leipziger Bibliophilen-Abends, lieber Herr Kästner,
auch als
Mitglied des Berliner Bibliophilen Abends und der
Pirckheimer-Gesellschaft bedanke ich mich herzlich für die
ehrenvolle Einladung, vor dem Leipziger Bibliophilen-Abend über
illustrierte und bibliophile E.T.A. Hoffmann-Ausgaben plaudern zu
dürfen.
Anläßlich der
Generalversammlung des Leipziger Bibliophilen-Abends am 28. Mai
1910 ließ der renommierte Hoffmann-Forscher und Freund Alfred
Kubins Hans von Müller einen längeren Auszug aus Hoffmanns
Leipziger Tagebuch des Jahres 1813 direkt aus den Druckfahnen
seiner Edition der Tagebücher E.T.A. Hoffmanns, die erst 1915
erscheinen sollten, als bibliophile Gabe in 150 Exemplaren bei
Drugulin gedruckt, verteilen. Hans von Müller hatte bereits 1903
im Leipziger Insel Verlag Das Kreislerbuch, das
Hoffmanns sämtliche Kreisler-Texte, Bilder und Kompositionen
versammelte, herausgegeben.
Aber bevor ich
mich nun dem reichhaltigen Arsenal illustrierter und bibliophiler
E.T.A. Hoffmann-Ausgaben in einer, zugegeben, rein subjektiven
Auswahl zuwende, sei an dieser Stelle ein kleiner Exkurs
gestattet.
Der Künstler,
der sich einem literarischen Text anverwandelt, der mit seiner
Kunst die Phantasie des Lesers anregt und diesem Bilder parallel
zum literarischen Werk anbietet und damit das individuelle
Lese-Erlebnis nicht unwesentlich beeinflußt, begibt sich auf
einen schmalen Grad. Nur außergewöhnliche Bild-Angebote
erreichen das Ideal, aus einem Buch ein Gesamtkunstwerk zu machen.
Vom großen
Thomas Theodor Heine, der als Illustrator selbst im Glashaus saß,
stammt folgende geistreiche Sottise: "Merkwürdig, daß alle
Verleger die dumme Idee haben, ein Buch solle illustriert werden.
Schokolade schmeckt gut. Senf schmeckt gut, wie gut muß da erst
Schokolade mit Senf schmecken! Ich hasse illustrierte Romane, die
Illustrationen schließen die Phantasie des Lesers aus".
Über derartige
Prämissen darf und kann man streiten; daher möchte ich zu
allererst eine bibliophile Hoffmann-Ausgabe ohne Illustrationen
vorstellen.
Carl Georg von
Maassen, der große Bibliophile und Herausgeber der
Historisch-kritischen Gesamtausgabe E.T.A. Hoffmanns, die leider
unvollendet blieb, gab anläßlich der 100.Wiederkehr des
Todestages von E.T.A. Hoffmann dessen kleine Erzählung Der
Baron von Bagge als erstes Buch des Verlages der Bremer Presse
im Juni 1922 heraus, die auf der Handpresse in 400 numerierten
Exemplaren gedruckt wurde, von denen nur 330 in der Handel kamen.
Ein bibliophiles Kunstwerk, dessen Typographie die Qualität des
Hoffmannschen Textes adäquat zum Leuchten bringt.
E.T.A. Hoffmann
zählt bekanntlich zu den meist illustrierten Dichtern der
Weltliteratur, doch hat dieser geniale Universalkünstler ja
etliche seiner eigenen Werke selbst mit eigenen Zeichnungen und
Vignetten geschmückt.
1799 entstand
das Singspiel Die Maske, die Reinschrift von Partitur und
Text fertigte Hoffmann selbst an, die Einbände wurden von ihm in
Sepia bemalt. Das kostbare Werk ließ Hoffmann der Königin Luise
von Preußen überreichen, doch die damit verbundenen
Aufführungs-Wünsche Hoffmanns blieben unerfüllt. 1923 gab der
große Hoffmann-Forscher Friedrich Schnapp eine bibliophile
Einzelausgabe der Maske heraus, mit nachempfundenen Einband
Hoffmanns, die bei Emil Hermann Senior in Leipzig in 1000
numerierten Exemplaren gedruckt wurde. Erwähnt seien hier auch
Hoffmanns Titel-Vignetten für die ersten beiden Bände seiner Fantasiestücke
in Callot’s Manier sowie seine Einband-Illustrationen zum Klein
Zaches, Kater Murr und Meister Floh.
Im letzten
Herbst wurde bei Stargardt in Berlin ein bis dahin unbekanntes
Hoffmann-Autograph aus dem Jahr 1821, aus der Sammlung des
Hamburger Bankiers Max Warburg stammend, für 30.000 DM von der
Staatsbibliothek Bamberg ersteigert. Hoffmann beschreibt in diesem
einseitigen Manuskript präzise 2 Szenen seiner Erzählung Die
Täuschungen, die später unter dem Titel Die Irrungen
im Berlinischen Taschen-Calender auf das Gemeinjahr 1822
erstmals erschien. Hoffmanns Szenen-Anweisungen galten dem
Zeichner Ulrich Ludwig Friedrich Wolf, der Hoffmanns Anweisungen
illustrativ umsetzte, wobei die beiden Kupferstiche erst im
darauffolgenden Berlinischen Taschen-Calender auf das
Gemeinjahr 1823 erschienen, worin Hoffmanns Fortsetzung der Irrungen
Die Geheimnisse abgedruckt waren. Das bisher unbekannte
Autograph zeigt einen E.T.A. Hoffmann, dem es nicht gleichgültig
war, welche Szenen seiner Erzählungen illustriert wurden.
Wir wagen nun
einen kleinen Sprung ins Biedermeier zu Theodor Hosemann, der die
erste Reimersche Gesamtausgabe der Schriften E.T.A. Hoffmanns in
12 Bänden von 1844/45 mit 12 Federzeichnungen schmückte, die in
Holz gestochen wurden, laut Arthur Rümann die beste illustrative
Leistung des Künstlers Hosemann. Vergleicht man jedoch die
Intentionen des jeweiligen Hoffmann-Textes mit den
Federzeichnungen Hosemanns, wird ein Mangel an jenem Etwas
offenbar, das gerade dem Illustrator E.T.A. Hoffmanns eigen sein
muß und was Ulrich Helmke wie folgt präzisierte: "Die
Phantasie ist nicht unwirklich genug, man vermißt die Dämonie;
Hosemanns Motive strahlen lediglich Grotesk-Gemütliches
aus", wobei ich die grauenerregende Mordszene zum Nachtstück
Ignaz Denner ausnehmen möchte.
Das Werk E.T.A.
Hoffmanns wurde ja nach seinem Tod 1822 relativ schnell in
Deutschland vergessen, während seine Wirkung durch zahlreiche
Übersetzungen in Frankreich und Rußland unglaublich zunahm. 1843
erschienen Hoffmanns Contes fantastiques mit zweihundert
Zeichnungen von Paul Gavarni, deren Illustrationsfolge einen
Wechsel von Einzeldarstellungen und Bildszenen mit mehreren
Personen bietet. Vor allem mit seinen zehn ganzseitigen Blättern
versuchte Gavarni den Text Hoffmanns neu zu deuten. Gavarnis
schauerliches Blatt zum Nachtstück Das Majorat bietet sich
zum Motiv-Vergleich an, etwa mit dem von Hosemann oder dem von
Hugo Steiner-Prag.
1845 erschien im
Pariser Verlag Hetzel die französische Ausgabe von Hoffmanns
Nußknacker-Märchen Histoire d’un casse-noisette,
seltsamerweise unter dem Autoren-Namen Alexandre Dumas, dem
damaligen Bestseller-König, der das Hoffmannsche Original nur
übersetzt und mit einem Vorwort versehen hatte. Diese Ausgabe
ohne Hoffmanns Namen regte Tschaikovsky zu seinem
Nußknacker-Ballett an. Was uns hier aber noch mehr interessieren
dürfte sind die reizvollen 238 kleinen Holzschnitte von Bertall,
der eigentlich Charles Albert Vicomte d’Arnoux hieß und sich
des Pseudonyms Bertall auf Anraten Balzacs bediente und der auch
durch seine Illustrationen zu den Märchen der Brüder Grimm und
Wilhelm Hauff Ruhm errang. Anstatt der Original-Ausgabe habe ich
die schöne Leder-Vorzugsausgabe von Nußknacker und
Mausekönig mitgebracht, die der Verlag der Nation mit
Bertalls Holzstichen und einem einfühlsamen Nachwort des
namhaften Hoffmann-Biographen Klaus Günzel 1981 herausbrachte.
Ein weiterer
Zeit-Sprung trägt uns nun in den deutschen Jugendstil und zu
Marcus Behmer, der 1906 für Hans von Müllers Edition Die
Märchen der Serapionsbrüder im Leipziger Drugulin Verlag die
künstlerische Gesamtausstattung übernahm, wie später auch zu
Müllers Edition von Hoffmanns Die Brautwahl, in der
Behmers künstlerischer Ausdruck, meiner Meinung nach, outriert
und ornamental überfrachtet erscheint.
1907 erschien in
der Berliner Groteschen Verlagsbuchhandlung E.T.A. Hoffmanns Die
Elixiere des Teufels, herausgegeben und mit einer Einleitung
von Georg Ellinger, dem die Hoffmann-Forschung sehr viel zu
verdanken hat. Der Prachtband in Leinen- und Leder-Ausstattung,
der in der Leipziger Druckerei Fischer&Wittig gedruckt wurde,
enthielt Illustrationen des bis dahin kaum bekannten Künstlers
Hugo Steiner-Prag, dessen künstlerischer Rang es erfordert,
ausführlicher zu werden. Hugo Steiner wurde am 12. Dezember 1880
in Prag geboren, die Verwandtschaft der Mutter gehörte zu den
alten jüdischen Familien des Prager Ghettos, ob direkte
Abstammung vom berühmten Rabbi Löw vorliegt, bleibe
dahingestellt. Steiner-Prags spürbare Affinität zu Gustav
Meyrinks Roman Der Golem, den er später kongenial
illustrierte, wird durch seine Herkunft offenbar. Seine Vorliebe
für E.T.A. Hoffmann sollte die berufliche Zukunft Hugo
Steiner-Prags mehr als nur beeinflussen, denn er erhielt von der
Groteschen Verlagsbuchhandlung aus Berlin den Auftrag, Die
Elixiere des Teufels zu illustrieren. Die 18
Illustrations-Entwürfe wurden 1906 vom Deutschen Künstlerbund in
Leipzig im Buchgewerbe-Museum ausgestellt. Diesen und seiner
bisherigen Lehrtätigkeit verdankte Steiner-Prag seinen Ruf an die
Königliche Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe, an
der er 26 Jahre lang als Professor und Leiter einer Meisterklasse
wirkte. Was aber ist nun das Besondere an dieser Ausgabe der Elixiere
des Teufels? Seinen Einband mit dem großen Kreuz bewertete
Steiner-Prag später als "gut entworfen, aber
schrecklich". Seine Radierungen dagegen zählen gewiß zu den
Höhepunkten der Jugendstil-Illustrationen zu E.T.A. Hoffmanns
Werken. Steiner-Prag illustrierte fast immer werkgetreu, ordnete
sich dem Text aber nicht vollkommen unter. Herausragendes
Charakteristikum ist die ausdrucksstarke Hell-Dunkel-Stimmung, die
sowohl das Unheimliche als auch das Groteske und Geheimnisvolle
der Hoffmannschen Prosa noch verstärkte. Zum Anschauen sei hier
nur die Doppelgänger-Radierung nach Seite 198 empfohlen. Die
zarten Federzeichnungen zu den Kapitel-Anfängen sind laut Elke
Riemer hingegen reiner Jugendstildekor mit illustrativen Zügen
unter starkem Einfluß von Beardsley.
E.T.A. Hoffmann
war und blieb Steiner-Prags Lieblings-Dichter und es gibt kaum ein
anderes Beispiel für eine so kongeniale Beziehung eines
Buch-Künstlers zu einem Dichter, dem er bis zu seinem Tod 1945
treu blieb. 1922 schuf Steiner-Prag Radierungen zu Hoffmanns
Nachtstück Das Majorat, 1923 kam eine großformatige Mappe
in nur 25 Exemplaren heraus unter dem Titel Phantastische
Galerie im Leipziger Thyrsus Verlag, der schon vor deren
Erscheinen Pleite ging. Es folgten 1925 illustrierte Ausgaben zu Ritter
Gluck und Don Juan sowie 1926 Der Sandmann. Im
amerikanischen Exil gelang Steiner-Prag 1943 noch einmal ein
künstlerischer Höhepunkt mit den Tales of Hoffmann im
Limited Editions Club in New York, für die er 43 Lithographien
schuf und zusätzlich ein phantastisches Prosa-Präludium unter
dem Titel A visit at midnight verfasste. Aus diesem Besuch
um Mitternacht - Steiner-Prag imaginiert darin ein
persönliches Treffen mit dem bewunderten E.T.A. Hoffmann -
möchte ich einen kurzen Ausschnitt vorlesen:
"Aufs
höchste gespannt stieg ich die beiden Stufen zur Bibliothek hinab
und starrte wie gebannt nach der matterhellten weißen Tür, die
zum Korridor führte. Leise und höflich wurde an dieser geklopft,
aber jetzt brachte ich keinen Laut hervor. Das Klopfen wiederholte
sich, und entschlossen schritt ich auf die Tür zu, um sie zu
öffnen – aber der da draußen kam mir zuvor. Langsam öffnete
sie sich, und in ihrem Rahmen, gespenstisch auf schwarzem
Hintergrund, stand jener kleine Mann mit hohem Hut. Ich erkannte
ihn sofort. Dieses Gesicht war mir in allen Einzelheiten vertraut.
Ich kannte alle Bilder, die es von ihm gab, und hatte im Laufe der
Jahre selbst noch einige hinzugefügt. Die Augen, um deren
Ausdruck ich mich so oft bemüht hatte, sahen mich forschend an
und, wie mir schien, mit ironischem Lächeln. Alles, was sich
jetzt meinen Augen bot, war so widersinnig, so unmöglich, daß
ich gar nicht begriff, was hier vor sich ging.
"Was suchen
Sie hier, zu dieser Stunde, Herr Kammergerichtsrat Hoffmann?"
brachte ich endlich, mühsam genug, hervor. Er sah gewiß, daß
ich vor Erregung zitterte. "Ei", lachte er, "mit
einem Zitat aus einem meiner Werke begrüßt zu werden, das ist
schon etwas, geschätzter Herr, das ist wahre Popularität."
Vergleichen Sie
bitte diese Szene mit Steiner-Prags Frontispiz und sein Blatt zu
der Hoffmannschen Erzählung Der unheimliche Gast, nach S.
278 der Erstausgabe des Limited Editions Club, über den Sie ja
demnächst in einen ausführlichen Vortrag näheres erfahren
werden.
Kommen wir nun
zu Ernst Stern, der ebenfalls die Elixiere des Teufels
illustrierte, aber damit in keiner Weise an die Leistung von
Steiner-Prag heranreicht. Erheblich origineller wirken seine
kolorierten Zeichnungen mit ihrer arabesken Linienführung zu Hans
von Müllers erster vollständiger Ausgabe von E.T.A. Hoffmanns
Märchen Meister Floh, in der Stern bereits 1908 die Popart
eines Richard Lindner vorwegzunehmen scheint. Nur summarisch
erwähnt, was kein Qualitätsurteil sein soll, seien an dieser
Stelle Karl Thylmanns ausdrucksstarke Lithographien zu Hoffmanns
Märchen Der goldene Topf, die 1912 bei Kurt Wolff in
Leipzig erschienen und mehrere Auflagen erlebte.
Alfred Kubin
veröffentlichte 1913 seine illustrierte Ausgabe der Nachtstücke
bei Georg Müller mit 48 Zeichnungen in Strichätzung, davon
11 ganzseitig. Besonders beeindruckend und schauerlich – hier
auch an seine berühmteren Poe-Illustrationen erinnernd – ist
Kubins Folterszene zum Ignaz Denner. 1947 folgte noch eine
Ausgabe der Märchen Hoffmanns mit 26 Federstrichätzungen Kubins
im Liechtenstein Verlag Vaduz. Meiner Einschätzung nach,
erreichen Kubins Blätter zu Hoffmanns Werken nicht die
künstlerische Intensität und Radikalität, die seine Arbeiten zu
den Erzählungen E.A. Poes auszeichnen.
1919 gab der
Hesperos Verlag in München eine bibliophile Ausgabe von Hoffmanns
später Erzählung Der Elementargeist heraus, für die Emil
Preetorius fünf ganzseitige Bilder schuf, die biedermeierlichen
Scherenschnitten nachempfunden sind. Auch die gesamte Ausstattung
dieser gelungenen Ausgabe übernahm Preetorius, dieser Meister der
Silhouetten-Kunst.
Julius
Meier-Graefe beauftragte 1919 den namhaften expressionistischen
Bildniszeichner und Karikaturisten Rudolf Grossmann den Ritter
Gluck, die erste geniale Erzählung E.T.A. Hoffmanns zu
illustrieren. Die Federzeichnungen Grossmanns wurden von Johann
Tempel und Albert Fallscheer in Holz geschnitten und danach
vernichtet. Dieser Ritter Gluck erschien im Jahr 1920 als
22. Druck der Marée-Gesellschaft, gedruckt bei der Bremer Presse
in Tölz, in zwei Ausgaben: 65 numerierte Exemplare auf Japan,
wobei für die Subskribenten eine Folge der Holzschnitte außer
Text auf Japan beilag, und 135 numerierte Exemplare auf
handgeschöpftem Bütten von J. W. Zanders.
Diese Ausgabe
ist ein geniales Gesamtkunstwerk, die den Text Hoffmanns adäquat
auch in ihrer Typographie wiedergibt. Nur selten sieht man Musik
so dynamisch in Szene gesetzt und mit nur wenigen sensiblen
Strichen gelingt es Grossmann, das Reich der Träume des Ritter
Gluck in eine eindrucksvolle Bildsprache zu übersetzen.
Im Jahr 1920
erschienen aber noch weitere bemerkenswerte illustrierte E.T.A.
Hoffmann-Ausgaben, so im Axel Juncker Verlag die so gut wie nie
illustrierte Erzählung Aus dem Leben dreier Freunde mit 10
Federzeichnungen von Conrad Felixmüller in 3000 Exemplaren, davon
110 auf Velinpapier, die vom Künstler signiert und numeriert
wurden. Im Leipziger Gustav Kiepenheuer Verlag erschien im
gleichen Jahr eine reizvolle Ausgabe von Hoffmanns Märchen
Die Königsbraut
mit 50 Lithographien von Walter Becker, die Jahrzehnte später in
der DDR auch als Reprint erschien. In Münchener Hesperos Verlag
kam, ebenfalls 1920, Hoffmanns Nachtstück Das öde Haus
mit faszinierenden Radierungen von Carl Rabus heraus. 1921
verlegte der Regensburger Habbel Verlag eine illustrierte Ausgabe
der Brautwahl, von Karl Rössing mit 21 ganzseitigen
Holzstichen geschmückt, die er ursprünglich ohne Verlagsauftrag
angefertigt hatte.
Zum 100.
Todestag E.T.A. Hoffmanns erschien 1922 bei G. Hirth in München
Hoffmanns Märchen Meister Floh mit 40 ganz- und
halbseitigen Holzschnitten von Otto Nückel, die einerseits
originell aber andererseits auch statisch und eigentlich wenig
hoffmannesk erscheinen.
Für diese etwas
summarischen Aufzählungen und Unerwähntes bitte ich um
Nachsicht, denn angesichts der Fülle bibliophiler
Hoffmann-Ausgaben in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
könnte man 20 verschiedene Vorträge halten, ohne in Materialnot
zu geraten.
Wir machen nun
einen erneuten Zeitsprung zu Fritz Fischer, der etliche
Illustrationen zu E.T.A. Hoffmann hinterlassen hat, die zum Teil
erst posthum als Buchedition erscheinen konnten. 1941 kam sein
Insel-Bändchen mit 25 Federzeichnungen zu Hoffmanns
Fantasiestück Die Abenteuer der Silvester-Nacht in Leipzig
heraus. Bedeutender sind aber zwei Nachlaß-Editionen: 1973
brachte die Büchergilde Gutenberg sein faksimiliertes Skizzenbuch
zum Goldenen Topf heraus und 1999 gelang es Michael Duske
und seinem Verlag Serapion vom See Fritz Fischers
Skizzenbuch im Originalformat zu Hoffmanns Nachtstück Das
Majorat in einer aufwendig und originell hergestellten
zweibändigen Ausgabe herauszubringen, die zu Recht mit dem
Prädikat "eines der schönsten Bücher 1999"
ausgezeichnet wurde.
Noch im
vorletzten Kriegsjahr 1944 erschien im Wiener Frick Verlag eine
Ausgabe von Hoffmanns Musikalische Novellen mit
Federzeichnungen von Hans Fronius. Auch wenn die kriegsbedingte
Ausstattung wenig bibliophil anmutet, faszinieren die
Illustrationen von Fronius um so mehr.
Der große
Joseph Hegenbarth hat sich fast ein Leben lang auch mit dem Werk
E.T.A.Hoffmanns beschäftigt. Im Jahr 1941 entstanden über 100
Zeichnungen zu Hoffmanns Lebens-Ansichten des Katers Murr,
die aber erst 1968 bei Reclam in Leipzig publiziert wurden. Seine
illustrierten Ausgaben von Klein Zaches und andere Erzählungen
(1957) und Das Fräulein von Scuderi (1958) seien hier nur
erwähnt. Besonders künstlerisch gelungen erscheint mir seine
illustrierte Ausgabe von Hoffmanns Erzählungen Meister Martin
der Küfner und Der Feind, die der Henschel Vlg. Berlin
1956 verlegte. Hegenbarths dynamische Federzeichungen behalten
ihre Autonomie gegenüber den Hoffmannschen Texten und entgehen
damit der Gefahr, Erzähl-Situationen nur bieder abzubilden. Beide
Erzählungen Hoffmanns wurden ja lange Zeit als zu bieder und
weniger gelungen eingeschätzt. Erst in letzter Zeit haben
diffizile Interpretationen die oberflächlichen Vorurteile
gegenüber diesen Texten Hoffmanns entkräftet – und Hegenbarth
hat diese neue Sicht auf den Meister Martin und den Feind
mit seinen Zeichnungen bereits Jahrzehnte zuvor antizipiert.
Der fränkische
Phantast Caspar Walter Rauh, Schüler von Walter Tiemann
veröffentlichte 1981 in der Bayreuther Bear Press seine
letzte buchkünstlerische Arbeit – E.T.A. Hoffmanns Erzählung Signor
Formica. Ein bibliophiles Gesamtkunstwerk was Ausstattung,
Typographie und vor allem die Radierungen von Caspar Walter Rauh
betrifft, filigrane Blätter in Hoffmanns Geist, kein Wunder, daß
er auch hoffmanneske Märchen für seine Kinder verfaßt hat, die
Wolfram Benda ebenfalls in seiner Bear Press als
bibliophilen Sonderdruck 1987 herausgab.
Auch der
Berliner Maler und Grafiker Eberhardt Brucks steht seit langem im
Banne Hoffmanns; 1947 erschien im Berliner Boettcher Verlag eine
Mappe Brucks sieht E.T.A. Hoffmann mit 16 kolorierten
Federzeichnungen, parallel dazu gab es diese Einzelblätter als
gebundene Broschur mit einer zusätzlichen Einleitung samt
Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die sich nur in dieser gebundenen
Ausgabe finden. Brucks Blätter, durch unterschiedliche Werke
Hoffmanns angeregt, beeindrucken durch einen originellen Strich,
dem sich die sensible Farbgebung unterordnet. Brucks illustriert
Hoffmann nicht, er bevorzugt eine eigenständige
Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk Hoffmanns. 1984 verblüffte
Brucks mit einer zweiten Hoffmann-Mappe. Die darin enthaltenen 8
handkolorierten Original-Grafiken zitieren Motive aus seiner
ersten Mappe, wirken aber vorrangig in den Farb-Nuancen und im
Strich expressiver als die von 1947. Eberhardt Brucks stellte 1986
eine repräsentative Auswahl seiner E.T.A. Hoffmann gewidmeten
Arbeiten im Bamberger E.T.A.Hoffmann-Haus aus, zu der auch ein
kleiner Katalog erschien.
Ruth Knorr
gelang 1968 mit ihren 30 Aquarellen zu Hoffmanns Erzählungen
eine eigenständige Bildsprache, die mit surrealen und naiven
Partikeln versucht, gegenüber der Hoffmannschen Phantasiewelt
künstlerisch zu bestehen. Besonders gelungen erscheinen Knorrs
Bildeinfälle zu Klein Zaches; obwohl im Berliner Verlag
der Nation erschienen, ist dieses Buch ein Leipziger Produkt.
Zum 200.
Geburtstag E.T.A. Hoffmanns erschien 1976 im Aufbau Verlag
parallel zum Start einer neuen mehrbändigen Gesamtausgabe, eine
Einzelausgabe von Hoffmanns Märchen Klein Zaches, deren
Einband und Illustrationen von Hans Ticha gestaltet wurden. Tichas
Popart-Stil mit seiner grellen Buntheit verstörte damals auf den
ersten Blick, doch mit dem Abstand von 26 Jahren gewinnt diese
auch typographisch gelungene Ausgabe einen betörenden Charme.
Tichas Ausgabe erschien sowohl in Leinen- als auch in
Leder-Ausstattung im illustrierten Schuber und wurde in der
Offizin Andersen-Nexö gedruckt.
1978 erschien im
Kunstverlag Weingarten ebenfalls eine illustrierte Einzelausgabe
des Hoffmannschen Klein Zaches. Dem Maler Friedrich
Hechelmann, ein Schüler des phantastischen Realismus der Wiener
Schule unter Professor Hausner, gelang mit seinen dazu gemalten
großformatigen Aquarellen, die eher an Bühnenbilder erinnern,
ein Kunstbilderbuch für Erwachsene. Kongenial zu den
Hoffmannschen Fantasien entfalten Hechelmanns Bilder eine
Sogwirkung, welche Leser und Betrachter unmittelbar in die
phantastische Märchenwelt hineinziehen. Hechelmanns großartige
Aquarelle können aber leider nicht über die etwas mißlungene
Präsentation des Textes hinweg täuschen, eine einfallslose
Doppelspalten-Typographie animiert kaum zum Lesen. Bitte
vergleichen Sie nachher in den drei zuletzt genannten Editionen,
wie unterschiedlich die drei Künstler prägnante Motive in Klein
Zaches gestaltet haben. Ich hätte gerne eine vierte
Einzelausgabe mit farbigen Bildern von Steffen Faust zum Vergleich
mitgebracht, doch ist dieses orginelle Bilderbuch zu Klein
Zaches, das demnächst im Berliner Verlag Serapion vom See
erscheinen wird und zu dem ich ein kleines Nachwort beigesteuert
habe, nicht rechtzeitig fertig geworden. Vielleicht ergibt sich im
nächsten Jahr die Gelegenheit, diese Klein Zaches-Ausgabe
und die ebenfalls demnächst erscheinenden, von Steffen Faust
illustrierten Kreisleriana in der Berliner edition cave
dem Leipziger Bibliophilen-Abend vorzustellen.
Zwei
weltberühmte Graphiker – Horst Janssen und Michael Mathias
Prechtl - seien hier nur am Rande erwähnt; beiden haben wir
exquisite, auch geniale Porträts E.T.A.Hoffmanns zu verdanken.
Aber ich möchte Ihnen lieber einige erheblich jüngere Künstler
und deren Auseinandersetzung mit dem Werk E.T.A. Hoffmanns
ausführlicher vorstellen.
Im heute schon
mehrfach genannten Berliner Verlag Serapion vom See, der
sich ausschließlich auf illustrierte E.T.A. Hoffmann-Ausgaben
konzentriert, kam 1997 eine Einzelausgabe der serapiontischen
Erzählung Die Bergwerke zu Falun heraus, die Michael
Knobel mit acht eindringlichen Original-Radierungen geschmückt
hat, die Hoffmanns Intention sehr nahe kommen. Die bibliophil
gestaltete Ausgabe erschien in drei Varianten, mit Kupfer- oder
mit Zink-Radierungen; der Vorzugsausgabe in nur 10 Exemplaren lag
eine Extrasuite sämtlicher Graphiken, nicht aufgenommener
Fassungen und eine zusätzliche Farbmonotypie von Michael Knobel
bei.
Kommen wir nun
zu dem fränkischen Maler, Grafiker, Komponisten, Dichter und
Verleger Johannes Häfner, Jahrgang 1961. Die Fülle seiner
ausgeübten Begabungen läßt die Affinität zum
Mehrfach-Künstler E.T.A. Hoffmann erahnen, was Häfner in eigenen
Worten erklärt: "Die Tatsache, daß Hoffmann wie ich mehrere
Begabungen hatte, machte mich neugierig, und ich entschloß mich
zunächst einen Clavierzyklus zu komponieren. Ich versuchte dabei,
die gefühlsmäßigen Schwankungen, die Hoffmann durchlebte, auf
mich zu übertragen und in meine Musik zu transformieren. Schon
während der Arbeit kam mir die Idee, mehr über Hoffmann zu
machen, etwas wo er sichtbar ist und / oder ich sichtbar bin. Und
so entstand eine Bildergeschichte in Buchform mit eingescannten
Zeichnungen von ihm, die ich mit meinen Zeichnungen verband. Der
Dialog verschmolz zu einer polyphonen, visuellen Poesie".
Johannes Häfner arbeitet in Nürnberg im eigenen Ich-Verlag
und fertigt seine Bücher von eigener Hand. Mit der bewußt
bibliophilen Ausstattung seiner Bücher reflektiert und
thematisiert Häfner mit seinem Handwerk die heutige Distanz einer
computertechnischen Reproduzierbarkeit unserer Tage zur
traditionellen Buchkultur. "Meine Bücher sind
Gesamtkunstwerke, welche versuchen, verschiedene Sinnlichkeiten /
Ebenen miteinander zu verbinden.<...> Deshalb gibt es in
meinen Büchern keine Illustrationen, die den Text begleiten bzw.
Illustrationen, die von Texten begleitet werden, sondern ein
gemeinsames übergeordnetes Thema bildet, den Grundriß, die
Architektur." Diese selbstbewußten Prämissen des
Buchkünstlers Johannes Häfner können Sie anschließend selbst
auf den Prüfstand stellen, in dem sie ein Blick in 2 ausgewählte
Hoffmann-Editionen werfen – in die Faksimile-Ausgabe des Berliner
Bibliophilen Abends von E.T.A. Hoffmanns
Manuskript-Handschrift Der Sandmann als auch in dem vierten
Band aus Häfners Meister Floh-Serie. Mit seinem Ich-Verlag
kann Häfner heute auf zehn produktive Jahre zurückblicken, was
ihn nur zur weiteren unermüdlichen künstlerischen Arbeit
animiert. Die E.T.A. Hoffmann gewidmeten Gesamtkunstwerke Johannes
Häfners, von eigener Hand in kleiner Auflage hergestellt,
schlagen bibliophile Funken, die zum Weiterdenken der Rezipienten
anregen.
Auch der
Graphiker und Maler Steffen Faust, Jahrgang 1957, beschäftigt
sich seit Jahrzehnten mit E.T.A. Hoffmann. Doch erst in letzter
Zeit werden seine langjährigen Arbeiten zu Hoffmann mit
Ausstellungen und bibliophilen Buch-Editionen einer breiteren
Öffentlichkeit bekannt. Nachdem Steffen Faust 2001 in der edition
cave eine illustrierte Ausgabe von Caroline de la Motte
Fouqués E.T.A. Hoffmann-Novelle Der Delphin vorlegte, kam
noch gleichen Jahres im Verlag Serapion vom See eine
Mappen-Suite von 9 signierten Farb-Radierungen zu Hoffmanns
Berliner Geschichte Die Brautwahl heraus. Die Auflage
betrug nur 30 Exemplare und ist restlos vergriffen. Demnächst
erscheinen von Steffen Faus, wie schon erwähnt, sein farbiges
Bilderbuch Klein Zaches genannt Zinnober und eine
illustrierte und bibliophile Ausgabe von Hoffmanns Kreisleriana,
darüber hören Sie vielleicht im nächsten Jahr näheres.
Zum Schluß soll
E.T.A. Hoffmann mit einem Auszug aus seinem Brief an den
Almanach-Redakteur Stephan Schütze in Weimar vom 17. Februar 1819
selbst zu Worte kommen:
"Sehr lieb
würde mir es aber seyn, wenn es mir auch überlassen bliebe die
Zeichnung zu dem Kupfer durch meinen Freund, den Maler Kolbe
besorgen zu lassen. Es ist ein großer Gewinn für die Sache wenn
Dichter und Zeichner sich besprechen und einander recht in die
Hand arbeiten können. Zudem weicht Kolbe auch zum großen
Vortheil ganz ab von der in der That fabrickmäßigen Manier der
gewöhnlichen Taschenbuchzeichner, von denen mir vorzüglich
Ramberg mit seinen ewig wiederkehrenden nichts bedeutenden Formen
und Gesichtern (vorzüglich sind immer die Mädchen mit den
prallen Wädchen höchst schalkisch) ein wahrer Greuel ist".
Für heute
möchte ich schließen und mich für ihre ungeteilte
Aufmerksamkeit bedanken und auf ein Wiedersehen hoffen.
Copyright by Jörg Petzel, 2002