Ein herzliches Grüß
Gott meine
sehr verehrten Damen und Herren
bevor ich auf die Besonderheiten der Ausstellung "Studien zum
Meister Floh" näher eingehe, möchte ich noch den Kontext
dazu erläutern, möchte die Grundidee kurz skizzieren.
Ausgangspunkt zum
Meister Floh-Projekt war, wie bereits vergangenes Jahr mit der
Ausstellung Der Sandmann hier in Bamberg u.a. gezeigt, die noch
erhaltene Handschrift von E.T.A. Hoffmann. Die Sandmann
Handschrift ist nahezu vollständig erhalten, während vom Meister
Floh nur das Kapitel noch existiert, welches die
Knarrpanti-Episode enthält. Sie befindet sich unter den
Prozessakten Hoffmanns im Geheimen Staatsarchiv Berlin.
Angeregt
durch Herrn Professor
Schemmel, wollen wir sukzessive eine kleine Bibliothek von
Kunstwerken in Buchform mit faksimilierten Handschriften von E.T.A.
Hoffmann publizieren. Die Sandmann-Ausgabe war dabei das erste
Projekt, das zweite nun der Meister Floh. Der Faksimile-Band mit
Essays von Dr. Schemmel, Dr. Auhuber, Dr. Kloosterhuis und
Professor Jürgen Goydke wird September 2001 innerhalb des
Projekts Meister Floh ein Multimedialer Weltenbürger erscheinen.
Dabei werden die
Kunstgattungen
Bildende Kunst
Technik
Literatur-Wissenschaft und
Musik
zusammengeführt
zu einem Gesamtkunstwerk unter Berücksichtigung der Möglichkeiten
die unsere digitale Jetztzeit bereithält. Wir, die in der
Jetztzeit leben, leben nicht mehr wie noch vor 25 Jahren in einer
analog geprägten Welt, sondern wir alle, bewußt oder unbewußt,
haben in digitale Welten gewechselt. Sowohl die Arbeitszeit wie
die Freizeit ist digitalisiert, unser Denken, fühlen ist genauso
davon beherrscht, wie unsere Ästhetik, unsere sinnliche
Wahrnehmung. Wir hantieren mit Gerätschaften, deren
Funktionsweise uns größtenteils unbekannt und
unvorstellbar-mystisch erscheint. Wir sehen die Ergebnisse, nicht
aber die Prozesse die diese Ergebnisse erfolgen lassen.
Würde heute
E.T.A. Hoffmann wieder in unsere Welt stoßen, er müßte, und das
völlig zu recht, denken, er befinde sich in einer Zauberwelt bevölkert
mit Automaten und übersinnlichen Kommunikationsmitteln.
Ich erzähle es
deshalb, weil es zum Thema, zum Meister Floh-Projekt hinführt.
E.T.A. Hoffmann läßt als Kompositionsschwerpunkt einen
Menschen-Floh auftreten, den jeder kannte, fast niemand hatte aber
eine Vorstellung darüber, wie dieses Tier nun aussieht, welche
Charakteristika es besitzt wie es sich bewegt und welche Gesichtszüge
es trägt. Einzig seine Taten waren den Menschen sehr vertraut und
stets präsent.
Dieses Tier erzählt
nun nicht die Geschichte, vielmehr steuert er ihren Verlauf, er
hat die Funktion eines Prozessors. Gleichzeitig kann der
aufmerksame Leser aber auch entdecken, daß alle weiteren
geschilderten Charaktere ein Teil seiner selbst sind, jedoch er,
der Meister Floh, auf Grund seiner Fähigkeit aus dem Leben etwas
zu lernen, zu reflektieren in einer wesentlich höheren Bewußtseinsebene
sich befindet. Das Infantile, daß allen anderen Figuren in
verschiedenen Abstufungen eigen ist und ein wesentliches Merkmal
der Erzählung ist, fehlt bei ihm gänzlich.
Ein Menschenfloh
wird zur Hauptfigur erhoben, obwohl er eigentlich unsichtbar ist,
sichtbar für den Menschen sind nur seine Aktionen/Ergebnisse -
die Flohstiche. Hoffmann selbst nimmt die Position eines zuweilen
ironischen Kommentators ein.
Die eben von mir
geschilderten Erkenntnisse sind fundamental wichtig, um dieses
literarisches Kunstwerk in ein bildnerisches Kunstwerk
transformieren zu können.
Eine rein
virtuelle literarische Kunstfigur, läßt sich nun mal nicht in
eine konkrete Figur umsetzen. Daher fehlt bei den ausgestellten
Exponaten von Häfner & Häfner gänzlich die Meister Floh
Darstellung.
Neben einer
Auswahl an illustrierten Büchern der Meister Floh Erzählung aus
den Beständen der Staatsbibliothek sehen Sie im ersten Raum
Kunstwerke in Buchform und Stahlskulpturen von Guido Häfner und
mir.
Wie Sie sehen
werden sind die Arbeiten – die Plastiken und die Kunstwerke in
Buchform sehr sorgfältig aufeinander abgestimmt.
Die dafür
entwickelten Figuren wecken Assoziationen zu Kinderzeichnungen,
die durch die starke Farbigkeit noch unterstrichen wird. So
erscheint die Prinzessin Gamaheh als ein Fabelwesen, Georg Pepusch
wird in der Manier einer Klein-Kinderzeichnung dargestellt,
Peregrinus und Röschen als ungleiches-gleiches Paar, die beiden
Magier werden als Mutanten geschildert und Aline verbreitet den
Charme einer Figur aus einem alten Märchenbuch.
Diese
heitere-infantile Stimmung ist in den Plastiken und den Grafiken
eingefangen und thematisiert worden. Es ist interessant beim Lesen
der Meister Floh Erzählung feststellen zu können, welches
Panoptikum Hoffmann uns vorführt:
So zum Beispiel:
Aline trotzig
Georg Pepusch überempfindlich
Peregrinus Tyß realitätsfremd
Röschen naiv-kindlich
Genius Thetel prahlerisch und
die Magier starrköpfig-eingebildet
Der Titel der
Ausstellung "Studien zum Meister Floh" deutet an, daß
die hier gezeigten Arbeiten noch nicht ihren Abschluß gefunden
haben, es ist vielmehr eine Art Zwischenbericht zum Projekt
Meister Floh ein Multimedialer Weltenbürger.
Durch den Titel
wird bereits angezeigt, daß verschiedene moderne Medien für die
Darstellung benutzt und miteinander verknüpft werden.
Das bedeutet
konkret, daß das Kunstevent sich in realen und in
virtuellen Räumen präsentieren wird. Reale Räume sind
Ausstellungsräume, virtuelle Räume können via Internet betreten
werden.
Neben den hier
gezeigten Stahlplastiken und Büchern wird bis September 2002 noch
1 Musik-CD erscheinen
1 CD u.a. mit der Meister Floh Erzählung und
literaturwisschenaftlichen Essays
eine eigene Homepage im Internet
und 3 Bände in der die Handschrift nebst Kunst und
Literaturwissenschaftlichen Essays enthalten
sein wird
So wandelt der fast unsichtbare Weltenbürger "Meister
Floh" durch diese vielen, verschiedenartigen Welten und eröffnet
dadurch dem Betrachter neue Sichten und Einsichten.
Dieses Projekt
ist außerdem ein Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit
verschiedener Künstler, Wissenschaftler und Computerfachleute
einerseits, und verschiedener Institutionen andererseits.
Die Kunst erhält
damit wieder ihren ursprünglichen Rahmen zurück, nämlich eine
Synthese von Funktion, Inhalt und Ästhetik zu sein. Sie
vermittelt Inhalte, ohne dabei "kopflastig" zu werden,
sie läßt eine sinnliche Ebene entstehen, ohne dabei dekorativ
und austauschbar zu werden, sie besitzt einen funktionalen
Hintergrund, ohne dabei affektiv-werbend zu sein.
Dieses Projekt
ist ein zeitgenössisches Pendant zum Panoptikum der Renaissance
und des Barocks, in der Kunst immer auch in der Pflicht stand,
modern und gleichzeitig tradiert zu erscheinen, ebenso den Geist
der Gesellschaft widerzuspiegeln und das in Nachbarschaft – dem
klassischen Panoptikum entsprechend – zu wissenschaftlichen
Abhandlungen und Gerätschaften.
Die Ausstellungen
und die Internet-Performance dazu beginnen im September 2002
Gezeigt werden
die Arbeiten in Berlin, Hamburg, München, Nürnberg und hier in
Bamberg wofür ich Sie bereits heute schon herzlich dazu einlade.
Abstrahiert man etwas von der
Erzählung Hoffmanns, so könnte man überden Meister Floh
allgemein auf unsere heutige Zeit übertragen sagen:
Ein unsichtbares
Etwas ist der Herrscher über ein riesiges Volk. Der Floh mutiert
zu einem Sinnbild unserer Digitalen Welten. Wir sehen immer nur
die Ergebnisse, die Prozesse die dazu nötig waren, bleiben
unserer Vorstellungskraft verborgen. Es ist wie mit dem Floh, wir
wissen, daß es ihn gibt, aber unsere Sehkraft ist zu limitiert,
um ihn erkennen zu können, er ist für unser Auge nur ein
dunkler, kleiner Punkt – ein Abstraktum
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Copyright by Johannes Häfner, 1999
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