FIRMENKULTUR KONZEPTE 


Johannes Häfner




Vortrag anläßlich der Ausstellungseröffnung 
"Meister Floh – ein Multimedialer Weltbürger" in der Staatsbibliothek Bamberg, 2000

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Ein herzliches Grüß Gott meine 
sehr verehrten Damen und Herren

bevor ich auf die Besonderheiten der Ausstellung "Studien zum Meister Floh" näher eingehe, möchte ich noch den Kontext dazu erläutern, möchte die Grundidee kurz skizzieren.

Ausgangspunkt zum Meister Floh-Projekt war, wie bereits vergangenes Jahr mit der Ausstellung Der Sandmann hier in Bamberg u.a. gezeigt, die noch erhaltene Handschrift von E.T.A. Hoffmann. Die Sandmann Handschrift ist nahezu vollständig erhalten, während vom Meister Floh nur das Kapitel noch existiert, welches die Knarrpanti-Episode enthält. Sie befindet sich unter den Prozessakten Hoffmanns im Geheimen Staatsarchiv Berlin.

Angeregt durch Herrn Professor Schemmel, wollen wir sukzessive eine kleine Bibliothek von Kunstwerken in Buchform mit faksimilierten Handschriften von E.T.A. Hoffmann publizieren. Die Sandmann-Ausgabe war dabei das erste Projekt, das zweite nun der Meister Floh. Der Faksimile-Band mit Essays von Dr. Schemmel, Dr. Auhuber, Dr. Kloosterhuis und Professor Jürgen Goydke wird September 2001 innerhalb des Projekts Meister Floh ein Multimedialer Weltenbürger erscheinen.

Dabei werden die Kunstgattungen

Bildende Kunst

Technik

Literatur-Wissenschaft und

Musik

zusammengeführt zu einem Gesamtkunstwerk unter Berücksichtigung der Möglichkeiten die unsere digitale Jetztzeit bereithält. Wir, die in der Jetztzeit leben, leben nicht mehr wie noch vor 25 Jahren in einer analog geprägten Welt, sondern wir alle, bewußt oder unbewußt, haben in digitale Welten gewechselt. Sowohl die Arbeitszeit wie die Freizeit ist digitalisiert, unser Denken, fühlen ist genauso davon beherrscht, wie unsere Ästhetik, unsere sinnliche Wahrnehmung. Wir hantieren mit Gerätschaften, deren Funktionsweise uns größtenteils unbekannt und unvorstellbar-mystisch erscheint. Wir sehen die Ergebnisse, nicht aber die Prozesse die diese Ergebnisse erfolgen lassen.

Würde heute E.T.A. Hoffmann wieder in unsere Welt stoßen, er müßte, und das völlig zu recht, denken, er befinde sich in einer Zauberwelt bevölkert mit Automaten und übersinnlichen Kommunikationsmitteln.

Ich erzähle es deshalb, weil es zum Thema, zum Meister Floh-Projekt hinführt. E.T.A. Hoffmann läßt als Kompositionsschwerpunkt einen Menschen-Floh auftreten, den jeder kannte, fast niemand hatte aber eine Vorstellung darüber, wie dieses Tier nun aussieht, welche Charakteristika es besitzt wie es sich bewegt und welche Gesichtszüge es trägt. Einzig seine Taten waren den Menschen sehr vertraut und stets präsent.

Dieses Tier erzählt nun nicht die Geschichte, vielmehr steuert er ihren Verlauf, er hat die Funktion eines Prozessors. Gleichzeitig kann der aufmerksame Leser aber auch entdecken, daß alle weiteren geschilderten Charaktere ein Teil seiner selbst sind, jedoch er, der Meister Floh, auf Grund seiner Fähigkeit aus dem Leben etwas zu lernen, zu reflektieren in einer wesentlich höheren Bewußtseinsebene sich befindet. Das Infantile, daß allen anderen Figuren in verschiedenen Abstufungen eigen ist und ein wesentliches Merkmal der Erzählung ist, fehlt bei ihm gänzlich.

Ein Menschenfloh wird zur Hauptfigur erhoben, obwohl er eigentlich unsichtbar ist, sichtbar für den Menschen sind nur seine Aktionen/Ergebnisse - die Flohstiche. Hoffmann selbst nimmt die Position eines zuweilen ironischen Kommentators ein.

Die eben von mir geschilderten Erkenntnisse sind fundamental wichtig, um dieses literarisches Kunstwerk in ein bildnerisches Kunstwerk transformieren zu können.

Eine rein virtuelle literarische Kunstfigur, läßt sich nun mal nicht in eine konkrete Figur umsetzen. Daher fehlt bei den ausgestellten Exponaten von Häfner & Häfner gänzlich die Meister Floh Darstellung.

Neben einer Auswahl an illustrierten Büchern der Meister Floh Erzählung aus den Beständen der Staatsbibliothek sehen Sie im ersten Raum Kunstwerke in Buchform und Stahlskulpturen von Guido Häfner und mir.

Wie Sie sehen werden sind die Arbeiten – die Plastiken und die Kunstwerke in Buchform sehr sorgfältig aufeinander abgestimmt.

Die dafür entwickelten Figuren wecken Assoziationen zu Kinderzeichnungen, die durch die starke Farbigkeit noch unterstrichen wird. So erscheint die Prinzessin Gamaheh als ein Fabelwesen, Georg Pepusch wird in der Manier einer Klein-Kinderzeichnung dargestellt, Peregrinus und Röschen als ungleiches-gleiches Paar, die beiden Magier werden als Mutanten geschildert und Aline verbreitet den Charme einer Figur aus einem alten Märchenbuch.

Diese heitere-infantile Stimmung ist in den Plastiken und den Grafiken eingefangen und thematisiert worden. Es ist interessant beim Lesen der Meister Floh Erzählung feststellen zu können, welches Panoptikum Hoffmann uns vorführt:


So zum Beispiel:

Aline trotzig

Georg Pepusch überempfindlich

Peregrinus Tyß realitätsfremd

Röschen naiv-kindlich

Genius Thetel prahlerisch und

die Magier starrköpfig-eingebildet

 

Der Titel der Ausstellung "Studien zum Meister Floh" deutet an, daß die hier gezeigten Arbeiten noch nicht ihren Abschluß gefunden haben, es ist vielmehr eine Art Zwischenbericht zum Projekt Meister Floh ein Multimedialer Weltenbürger.

Durch den Titel wird bereits angezeigt, daß verschiedene moderne Medien für die Darstellung benutzt und miteinander verknüpft werden.

Das bedeutet konkret, daß das Kunstevent sich in realen und in virtuellen Räumen präsentieren wird. Reale Räume sind Ausstellungsräume, virtuelle Räume können via Internet betreten werden.

Neben den hier gezeigten Stahlplastiken und Büchern wird bis September 2002 noch

1 Musik-CD erscheinen

1 CD u.a. mit der Meister Floh Erzählung und

literaturwisschenaftlichen Essays

eine eigene Homepage im Internet

und 3 Bände in der die Handschrift nebst Kunst und       
    Literaturwissenschaftlichen Essays enthalten sein wird

So wandelt der fast unsichtbare Weltenbürger "Meister Floh" durch diese vielen, verschiedenartigen Welten und eröffnet dadurch dem Betrachter neue Sichten und Einsichten.

Dieses Projekt ist außerdem ein Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Künstler, Wissenschaftler und Computerfachleute einerseits, und verschiedener Institutionen andererseits.

Die Kunst erhält damit wieder ihren ursprünglichen Rahmen zurück, nämlich eine Synthese von Funktion, Inhalt und Ästhetik zu sein. Sie vermittelt Inhalte, ohne dabei "kopflastig" zu werden, sie läßt eine sinnliche Ebene entstehen, ohne dabei dekorativ und austauschbar zu werden, sie besitzt einen funktionalen Hintergrund, ohne dabei affektiv-werbend zu sein.

Dieses Projekt ist ein zeitgenössisches Pendant zum Panoptikum der Renaissance und des Barocks, in der Kunst immer auch in der Pflicht stand, modern und gleichzeitig tradiert zu erscheinen, ebenso den Geist der Gesellschaft widerzuspiegeln und das in Nachbarschaft – dem klassischen Panoptikum entsprechend – zu wissenschaftlichen Abhandlungen und Gerätschaften.

Die Ausstellungen und die Internet-Performance dazu beginnen im September 2002

Gezeigt werden die Arbeiten in Berlin, Hamburg, München, Nürnberg und hier in Bamberg wofür ich Sie bereits heute schon herzlich dazu einlade. Abstrahiert man etwas von der Erzählung Hoffmanns, so könnte man überden Meister Floh allgemein auf unsere heutige Zeit übertragen sagen:

Ein unsichtbares Etwas ist der Herrscher über ein riesiges Volk. Der Floh mutiert zu einem Sinnbild unserer Digitalen Welten. Wir sehen immer nur die Ergebnisse, die Prozesse die dazu nötig waren, bleiben unserer Vorstellungskraft verborgen. Es ist wie mit dem Floh, wir wissen, daß es ihn gibt, aber unsere Sehkraft ist zu limitiert, um ihn erkennen zu können, er ist für unser Auge nur ein dunkler, kleiner Punkt – ein Abstraktum

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

                                                                                               Copyright by Johannes Häfner, 1999


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